Ausstellung in Köln „Eine große Liebhaberey“

Köln · Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt die anregende Ausstellung „Die Kunst der Pause“. Gezeigt werden Werke vom reinen Handwerk bis hin zur künstlerischen Mode.

 Durchgepaust und veredelt: Anonyme kolorierte Durchzeichnung der Radierung „Allegorie der Musik“ von Samuel Bottschild, um 1690. FOTO: MUSEUM

Durchgepaust und veredelt: Anonyme kolorierte Durchzeichnung der Radierung „Allegorie der Musik“ von Samuel Bottschild, um 1690. FOTO: MUSEUM

Foto: Wallraf

In gegenwärtigen Zeiten ist das wie selbstverständlich geübte, schnelle „copy & paste“ (kopieren und einfügen) per Computer so etwas wie eine Kulturtechnik geworden, die sich auch in bildender Kunst und Literatur manifestiert. Man kann sich kaum vorstellen, dass dafür schon immer Bedarf herrschte – nur die Mittel und Wege waren früher etwas umständlicher.

„Die Kunst der Pause – Transparenz und Wiederholung“ ist eine höchst anregende Ausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum, die anhand von zwei Dutzend Blättern demonstriert, welche Rolle das Ab- und Durchpausen von Zeichnungen und Motiven der Druckgrafik seit dem frühen 16. Jahrhundert spielte.

Vornehmlich ging es in den Malerwerkstätten darum, Details aus Skizzenbüchern per Durchpausen etwa auf ein Bild zu übertragen. Manchmal wurden diese Pausen auch als Kompositionshilfen auf dem Bild hin- und hergeschoben, bis man etwa bei vielfigurigen Gruppen genau die richtige Spannung und Konstellation herausgefunden hatte. Eine mit unzähligen Edlen und Helden bevölkerte Illustration Wilhelm von Kaulbachs zum Ritterepos „El Cid“ etwa hängt in der Schau neben einer Kompositionsskizze und zwei Pausen, die offenbar dazu dienten, Personal und Komposition zu ordnen.

Manchmal hielt ein Meister sein gezeichnetes Blatt auch gegen die Sonne, sah es spiegelverkehrt im neuen Licht und fand es vielleicht attraktiver, zeichnete es dann auf der Rückseite nach. Auch solche Fälle sind dokumentiert. Gerade in der auf Kunstproduktion ausgelegten Werkstatt waren Optimierung und Variantenreichtum entscheidende Faktoren im Wettbewerb.

Dürer-Werke werden unters Volk gebracht

Und es ging darum, möglichst schnell attraktive Motive unters Volk zu bringen. Albrecht Dürers Kupferstiche waren besonders begehrt, und da die Zahl der Drucke begrenzt war, griffen Werkstätten zur handgefertigten Kopie – was das Risiko von Ungenauigkeiten barg – oder zur exakten Pause. In der Ausstellung sieht man die berühmten Kupferstiche „Adam und Eva (Sündenfall)“ von 1504 sowie „Das Liebespaar und der Tod (Der Spaziergang)“, um 1496/98, mit Pausen und Kopien.

Seit dem frühen 15. Jahrhundert wird in der Kunst abgepaust. Der Maler Cennio Cennini schreibt von „carta lucida“, von Papier, das, in Öl getränkt, durchsichtig wird, sich so zum Durchpausen eignet. Wallraf-Restaurator Thomas Klinke, der zusammen mit Thomas Ketelsen und Iris Brahms die anregende Ausstellung konzipiert hat, sieht bei Ölflecken auf einem Originalblatt Indizien dafür, dass es einmal abgepaust wurde.

Ein anderer Weg war, so Klinke, das Durchpausen mit einer Fischleim-Folie aus der Schwimmblase des Störs oder mit Pergament, später dann mit transparentem Papier auf Pflanzenbasis. Anders als die Kopie galt die Pause lange als niederrangige Konkurrentin, erzählt Ketelsen und führt den Künstlerbiografen des 16. Jahrhunderts, Giorgio Vasari, ins Feld: Der entwarf eine Theorie der Zeichnung (Italienisch: disegno) als intellektuelle Leistung des Künstlers und nicht rein manuelle Technik und mokierte sich über „unendlich viele Maler“, die nur Konturen von den Werken großer Meister durchzeichnen, „dass sie viele damit täuschen“.

Im 19. Jahrhundert erlangte die vormals geringgeschätzte Pause etwa bei den deutschen Nazarenern in Rom um den Romantiker Joseph Anton Koch Kunstrang. Von ihm sind im Wallraf liebliche Landschaften zu sehen, die mittels abgepauster Versatzstücke komponiert wurden. Die Pause als kreatives Hilfsmittel oder – auf Büttenpapier geklebt – als Zeichnung, die durchaus verkäuflich war. „Eine große Liebhaberey, was gewiss auch von großem Nutzen sein wird, sind jetzt die vielen Durchzeichnungen“, schrieb die Künstlerin Louise Seidler 1819 an Johann Wolfgang von Goethe. Das Abpausen von alten Vorlagen wurde zur wahren Mode.

Wallraf-Richartz-Museum Köln; bis 5. Juni. Di-So 10-18 Uhr. Katalog zehn Euro

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