Interview auf Platt "Hochdeutsch mussten wir erst lernen"

RHEINBACH · Rheinbach ist eine gewachsene Stadt, in der nach und nach Neubaugebiete entstanden sind. Wer kennt Rheinbach noch, wie es früher war? Darüber können Karl-Heinz Joisten und Fritz Berg einiges erzählen - am liebsten im "Rheembaache Platt".

 Wie wor dat fröher? Für die GA-Ortstermin-Serie "Zu Hause in Rheinbach" interviewt GA-Mitarbeiterin Gerda Saxler-Schmidt die zwei Rheinbacher Originale Fritz Berg (links) und Karl-Heinz Joisten.

Wie wor dat fröher? Für die GA-Ortstermin-Serie "Zu Hause in Rheinbach" interviewt GA-Mitarbeiterin Gerda Saxler-Schmidt die zwei Rheinbacher Originale Fritz Berg (links) und Karl-Heinz Joisten.

Foto: Henry

Diese Mundart ist ihre Lieblingssprache. Damit sind beide aufgewachsen, der 78-jährige Ur-Rheinbacher Berg und der 72-jährige Joisten. Er kommt zwar gebürtig aus Ollheim, lebt aber schon seit 50 Jahren in Rheinbach.

Während Fritz Berg die "graue Eminenz" der Rheinbacher Glaskunst ist, war Karl-Heinz Joisten mehr als 40 Jahre bei der heutigen Raiffeisenbank Rheinbach Voreifel tätig, in früheren Jahren auch "Buure-Bank" genannt, davon 35 Jahre als Vorstandsvorsitzender. Zudem ist er Vorsitzender des Brauchtumsvereins Rheinbach. Mit den beiden sprach - teils auf Platt - GA-Mitarbeiterin Gerda Saxler-Schmidt.

Wie war das früher mit dem Dialekt, und wie halten Sie es heute mit dem Platt und dem Hochdeutsch? Berg: Hochdeutsch mussten wir erst lernen, Platt konnte mie von Anfang aan, dat wued joh övverall jebubbelt. Joisten: Platt war auf dem Dorf gang und gäbe. Die einzigen, die es nicht konnten, waren zuerst die Flüchtlinge. Die haben sich aber schnell angepasst und es noch ganz gut gelernt. Meine Tochter, die 1973 geboren ist, hat Platt nie gelernt, da war es dann schon verpönt.

Wat öss dann an Platt füe öch esu besondesch? Berg: Me kann en nix andesch alles esu liebevoll sare wie en ose Sproch. Wenn man zum Beispiel sagt ,Liebchen, komm mal her' klingt das noch lange nicht so positiv wie "Leevje, komm ens her". Joisten: Odde noch besse kamme dat senn beim Schänge (Schimpfen). Sagt man in Hochdeutsch "Du Drecksack!" ist das schon heftig. Im Platt geht das liebevoller mit "Du bess ene schöne Drecksack!"

Was sagen Sie denn zu dem oft zitierten besonderen Flair Rheinbachs? Berg: Das trifft ganz klar zu. Franz Kribbeler, Rheinbacher Kunstschmied und Schwager des Architekten Claus Kerwer, hat im Stadtrat in den 1940er Jahren und später dafür gesorgt, dass in Rheinbach beim Wiederaufbau der zerstörten Innenstadt die spitzgiebeligen Häuser gebaut wurden, die der Stadt ihr einmaliges Flair geben. Solchen Leuten hätte man ein Denkmal setzen müssen auf dem Wilhelmsplatz und nicht diese schrägen Frauen (gemeint ist die Skulptur "Eile mit Weile", Anmerkung der Redaktion). Genauso hat Heinrich Kalenberg viele Objekte durchgezogen trotz Widerstände in den Parteien. Heute sind alle froh, dass wir das haben: den Freizeitpark, die Wälle, den Bachlauf, den Anbau Wasemer Turm (Neutor) und den Pinkelturm (Windmühlenturm).

Was hat Ihnen denn an Rheinbach früher besonders gefallen? Berg: Wir haben vieles ausgeheckt und auch in die Tat umgesetzt. Zum Beispiel die Geschichte mit dem Kningskaste (Kaninchenkäfig). Vom Reifenbergs Will haben Klinze Posch (der inzwischen verstorbene Rheinbacher Zeichner und Karikaturist Hans Klinz) und ich mit einigen vom Landsturm die Kning (Kaninchen) geklaut und dann in einem Gasthof in den Kningskaste gesetzt. Zwei Daach spääde hamme Kning und Kningskaste als offizielles Jeschenk zur Eröffnung des ersten Neubaus der Raiffeisenbank übergeben. Die waren ja die Buure-Bank, da passte das gut. Joisten: Dat woss ich joh noch ja net! (Damals war er schon Chef der Raiffeisenbank, Anmerk. d. Red.) Berg: Einen anderen "Coup" gab es beim so genannten Rentnertreff an der Großbaustelle des ersten Neubaus der Raiffeisenbank an der Hauptstraße - bis ihnen ein Bauzaun die Sicht verdeckte. Da konnte die Rentner nimmie luere. Un mie hann dänne dann Kucklöcher jemäät, füe die Jruuße ovve, füe die Kleene unge. Und das Ganze wurde dann mit einem Rentnerfest gefeiert. Die Rechnung für 111 Liter Bier - es war an Karneval - und das Essen ging ganz selbstverständlich an die Raiffeisenbank. Alleen 328 Taate senn jejesse wuade. Joisten: Und wir haben die Rechnung akzeptiert und den Betrag sogar noch höher gesetzt. Und Hubert Pfahl hat eine Litfaß-Säule gebaut, an die wir ein Foto von jedem Rentner mit einer speziellen Sprechblase geheftet haben.

Und dann gab es das große Volksfest des "Vereins für Brauchtumspflege" am 14. und 15. Juni 1986... Joisten: Ja, wir sind in alle Dörfer gefahren und haben dafür geworben, wir wollten ja mit den Dörfern zusammenwachsen. Es waren dann mehr als 1000 Mitwirkende und 85 Gruppierungen. Die Idee kam aus der Politik, eigentlich für ein "Walpurgisnachtfest". Berg: Ävve mie hann jesäät, wenn dat die Politike maache, jitt dat nix. Die entsprechenden Leute, die das in die Hand genommen haben, waren dann der Gründungsvorstand des gemeinnützigen "Vereins für Brauchtumspflege", ich sät de Jeck, als Vorsitzender, Ludwig Fett, Stellvertreter, Karl-Heinz Joisten, Kassierer und Schriftführer, später kam Heinz Gammel hinzu.

Was gefällt Ihnen nicht am heutigen Rheinbach? Joisten: Der Zusammenhalt und das Miteinander hat nicht mehr die Qualität von damals. Berg: In Rheinbach fehlt auch eine vernünftige Gastronomie, Alt und Jung waren da früher an der Theke viel mehr zusammen. De Löck jonn net mie esu en de Wietschaff. Doh widd doch och nix mie ussjeheck.

Rheembaache Platt

  • Föttchesföhler: einer, der Frauen im Vorbeigehen an den Hintern greift
  • fukackisch: faulend, meistens innen: Birnen, Äpfel
  • kaaschtisch: knausrig
  • Kläffbotz: einer, der kein Ende findet, vor allem bei Veranstaltungen
  • Kniesböggel: Geizhals
  • kradevoll: betrunken bis zum Hals
  • Möönejrößer: einer, der alle freundlich grüßt, aber nur wenige mag
  • Quallmann: Pellkartoffel
  • Spenneflecker: sehr dünner Mensch
  • Träänejöbbel: immer jammernder/heulender Mensch
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