Interview Hannelore Kraft: "Es geht um die Inhalte"

LEIPZIG · Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen überzeugt mich noch nicht", sagt Hannelore Kraft. Mit ihr sprach in Leipzig Ulrich Lüke.

 Hannelore Kraft auf dem Parteitag.

Hannelore Kraft auf dem Parteitag.

Foto: AFP

Frau Kraft, warum muss sich die SPD neu aufstellen?
Kraft: Weil wir ein Wahlergebnis erzielt haben, das uns alle nicht zufriedenstellt, und weil wir klären müssen, was besser werden muss. Unser Ziel ist es, 2017 wieder die Wahl zu gewinnen.

Ist die Kluft zwischen der SPD und Teilen ihrer Wählerschaft wirklich so groß, wie Sigmar Gabriel meint?
Kraft: Na ja, in Gänze würde ich das so nicht beschreiben. Es gibt natürlich immer wieder Unterstellungen und Misstrauen. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, das abzubauen. Daran haben wir schon in den letzten Jahren gearbeitet. Das ist besser geworden, aber da gibt es immer noch viel zu tun. Und dass wir stärker die Basis mit einbinden, zum Beispiel durch das Mitgliedervotum über einen Koalitionsvertrag, ist der richtige Weg.

Haben Sie persönlich mittlerweile Ihren Frieden mit der großen Koalition gemacht?
Kraft: Nein, das Ergebnis überzeugt mich noch nicht. Ich sitze ja in den Verhandlungen, und ich habe immer gesagt: Es geht um die Inhalte. Ich habe Erwartungen, aber die Erwartungen müssen auch erfüllt werden. Und erst dann trete ich vor unsere Mitglieder und sage: Ich kann euch die große Koalition empfehlen.

Horst Seehofer unterschreibt ohne Mautregelung keinen Koalitionsvertrag. Was sind Ihre Kernpunkte, ohne die es keinen Vertrag mit der Union gibt?
Kraft: Das ist seine Art, Politik zu machen. Ich halte solche Dinge in Verhandlungsprozessen nicht für günstig..

Dennoch: Der Mindestlohn soll kommen...
Kraft: Klar. Aber nicht nur. Der Mindestlohn ist das Mindeste, eine conditio sine qua non. Aber das reicht bei Weitem nicht. Wir haben viel mehr Punkte, an denen wir Verbesserungen für die Menschen erreichen wollen. In den Sondierungen habe ich den Eindruck gewonnen: Es gibt Korridore zur Einigung. Und die muss es dann auch geben.

Ist die Öffnung zur Linkspartei überfällig gewesen?
Kraft: Das ist keine Öffnung im eigentlichen Sinne. Wir sagen doch nur: Bei der Bundestagswahl 2017 schließen wir nichts mehr aus und werden auch mit der Linkspartei zu Sondierungen bereit sein. Aber es geht immer noch um Inhalte. Ich hab' das ja selbst in NRW 2010 versucht. Wir haben das vor der Wahl offengehalten. Dafür hat es auch Kritik gegeben. Im Gespräch mit der Linkspartei hat sich dann bestätigt: Die Linke war nicht regierungs- und koalitionsfähig. Genauso wie damals die Inhalte entscheidend waren, ist es jetzt auch auf Bundesebene. Gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik, aber auch bei dieser Wünsch-dir-was-Politik, die einer realistischen Haushalts- und Finanzpolitik entgegensteht.

Zur Person

Hannelore Kraft, 1961 in Mülheim an der Ruhr geboren, ist seit 1994 Mitglied der SPD. 2000 wurde sie in den Landtag gewählt und bereits ein Jahr später Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten.

2002 bis 2005 war sie Wissenschaftsministerin. Seit 2007 ist sie SPD-Landesvorsitzende, seit 2010 i Ministerpräsidentin.

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