Dominik Schwaderlapp: "Wir haben Ehrenamtlichen viel zugemutet"

Der Kölner Generalvikar über Neuaufbrüche in der Kirche und Belastungen für Geistliche

Dominik Schwaderlapp: "Wir haben Ehrenamtlichen viel zugemutet"
Foto: Max Malsch

Er gilt als engster Mitarbeiter von Erzbischof Joachim Kardinal Meisner - der Kölner Generalvikar Dominik Schwaderlapp. Mit ihm sprachen Bernd Eyermann, Ulrich Lüke und Frank Vallender.

General-Anzeiger: Wo steht das Erzbistum Köln in 20 Jahren - weniger Priester, weniger Gläubige, weniger Ehrenamtliche?

Dominik Schwaderlapp: Es ist nicht alles negativ, es gibt auch viele hoffnungsfrohe Neuaufbrüche.

GA: Wo sehen Sie die?

Schwaderlapp: Zum Beispiel beim Projekt "Nightfever". Da kommen einmal im Monat am Samstagabend mehrere hundert junge Menschen in die Bonner Remigiuskirche oder in den Kölner Dom, beten, singen und suchen das Gespräch mit einem Priester. Ich habe die Hoffnung, dass wir in 20 Jahren wieder eine ganz starke und große Gemeinschaft sind. Gottes Möglichkeiten sind größer als unsere Fähigkeiten.

GA: Gibt es in der Jugend eine Renaissance des Glaubens?

Schwaderlapp: Mit Renaissance bin ich vorsichtig, aber es gibt Hinweise. Die Shell-Jugendstudie weist zum Beispiel aus, dass Werte, die im Grunde christlich sind, für die Jugendlichen ganz wichtig sind. Vor 20 Jahren hieß es oft: Christus ja - Kirche nein. Wir erleben jetzt eine Generation, die viel offener ist. Damit es eine blühende Kirche wird, müssen Priester und Gläubige wie die Diener beim Wunder von Kana die Krüge mit Wasser füllen. Wein muss Gott daraus machen.

GA: Viele Priester fühlen sich überlastet, auch haupt- oder ehrenamtlichen Laien geht es so. Teilen Sie diese Einschätzung?

Schwaderlapp: Viele Menschen tragen wirklich viel, sorgen mit und packen an. Dafür bin ich ungeheuer dankbar. Aber es ist eine Herausforderung für uns alle, wie wir diese Belastungen abbauen können. Es ist klar, dass wir nicht mit weniger Menschen den gleichen Apparat aufrecht erhalten können wie früher. Wir müssen uns viel stärker einer Aufgabenkritik zuwenden. Wo sind wir besonders gut? Was können wir zurückfahren? Was müssen wir ändern?

GA: Und welche Antworten geben Sie? Was kann man streichen?

Schwaderlapp: Ich muss erstmal die Fragen stellen. Und Antworten können so pauschal gar nicht ausfallen, dafür ist die Situation vor Ort viel zu unterschiedlich. Ganz wichtig wird in den Gemeinden die Erarbeitung eines Pastoralkonzepts sein, in dem fünf Elemente vorkommen: Die lebendige Feier der Liturgie, die Glaubensverkündigung, die Sorge um Jugend, Ehe und Familie, das missionarische Bewusstsein sowie die Caritas, die Nächstenliebe. Welche Schwerpunkte die Gemeinden dabei setzen, ist je nach ihrem Umfeld verschieden.

GA: Sie haben viele Gläubige durch die Reformen "Zukunft heute" und "Wandel gestalten, Glauben entfalten" vor den Kopf gestoßen. Haben Sie Verständnis, wenn sich Laien im Blick auf die Wahlen für Pfarrgemeinderäte oder Kirchenvorstände im November zurückziehen?

Schwaderlapp: In den vergangenen Jahren haben wir insbesondere den Ehrenamtlichen in der Tat viel zumuten müssen. Ich bin sehr dankbar, wie konstruktiv diese Zumutungen angenommen und vielfach als Herausforderungen verstanden worden sind. Ich habe aber den Eindruck, dass viele die neuen Strukturen jetzt mit Leben füllen und weiter mitmachen wollen.

GA: In vielen Gemeinden wird händeringend nach Kandidaten gesucht, oft vergeblich.

Schwaderlapp: Dabei hat der Pfarrgemeinderat der Zukunft viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten als früher.

GA: Zum Beispiel?

Schwaderlapp: Der Pfarrer ist verpflichtet, das Pastoralkonzept gemeinsam mit dem Pfarrgemeinderat zu erarbeiten. Der Kirchenvorstand etwa kann künftig selbst entscheiden, in welchem Umfang er für ein Budget x einen Küster oder eine Sekretärin beschäftigen will.

GA: Bis Ende 2009 sollten 90 Millionen Euro gespart werden. Werden Sie dieses Ziel erreichen?

Schwaderlapp: Das Ziel ist schon erreicht, auch dank der Hilfe der vielen Ehrenamtlichen. Sonst würden wir angesichts der Wirtschaftskrise jetzt deutliche Probleme bekommen.

GA: Was kostet Sie denn die Wirtschaftskrise?

Schwaderlapp: Das kann seriös niemand beantworten, weder beim Staat noch in der Kirche. Wir haben für dieses Jahr mit Steuerausfällen von 16 Prozent kalkuliert. Bei der Planung gehen wir davon aus, dass die Rezession länger dauert, mit entsprechenden Folgen für den Arbeitsmarkt. Unser Blick richtet sich deshalb auf 2010, weil man annehmen muss, dass zeitversetzt erst dann die Arbeitslosigkeit steigt.

GA: Welche Konsequenzen hat das für das Erzbistum?

Schwaderlapp: Wir mahnen zur Sparsamkeit, es gibt aber derzeit kein neues Sparprogramm.

GA: Das schaffen Sie?

Schwaderlapp: Wir hatten ja seit 2006 durch die wirtschaftliche Erholung auch gute Jahre, so dass wir uns ein Polster zulegen konnten, das uns jetzt über die Durststrecke hilft.

GA: Sind Priester für Sie künftig mehr Manager oder mehr Seelsorger?

Schwaderlapp: Ich mag das Wort Manager in diesem Zusammenhang nicht gern. Wir haben in Zukunft 182 leitende Pfarrer in den Gemeinden mit Leitungs- und Verwaltungsfunktionen. Die anderen mehr als 400 Priester im Erzbistum sind frei für die Seelsorge.

GA: Viele Pfarrer leiden darunter, dass sie zu viel an Verwaltungstätigkeit haben. Wie wollen Sie die entlasten?

Schwaderlapp: Wir wollen ihnen helfen, höchstens 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für Verwaltungsaufgaben einzusetzen.

GA: Wie soll das geschehen?

Schwaderlapp: Durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen. So wird es zum Beispiel Verwaltungsreferenten geben, die tageweise in die Pfarreien kommen. Es gibt Schulungen für die leitenden Pfarrer. Und wir initiieren regelmäßige Mitarbeitergespräche mit ihnen, damit der Austausch zwischen der Basis und uns im Generalvikariat in Köln noch besser wird. Davon profitieren beide Seiten.

GA: Wie steht es um den Priesternachwuchs im Bistum? Kardinal Meisner sagt selbst, er habe vieles versucht, aber wenig erreicht.

Schwaderlapp: Gott sei dank haben wir in diesem Jahr neun Priesterweihen, im nächsten wahrscheinlich aber nur vier. Danach gibt es wieder einen stärkeren Weihejahrgang. Die Zahlen stabilisieren sich, allerdings auf niedrigem Niveau. Das macht uns Sorgen.

GA: Wie sehen Sie den interreligiösen Dialog, etwa mit dem Islam?

Schwaderlapp: Da gibt es gute Kontakte. Beim Thema Moscheebau sagen wir: In unserer Gesellschaft herrscht Religionsfreiheit, da muss es möglich sein, dass sich auch Andersgläubige versammeln und beten können. Gleiches muss natürlich auch für die Christen in der Türkei gelten. Alles Weitere ist eine Frage des Städtebaus.

GA: Der suspendierte Meckenheimer Pfarrer Michael Jung hat Sie einen "Lügenvikar" genannt. Geht Ihnen das persönlich nahe?

Schwaderlapp: Das möchte ich nicht kommentieren.

GA: Was gibt es Neues in dem Fall?

Schwaderlapp: Das ist ein schwebendes Verfahren. Deshalb bitte ich um Verständnis, dass ich dazu nichts sagen kann.

GA: Wie zufrieden sind Sie mit der Resonanz auf die citypastorale Arbeit in Bonn, Köln und Düsseldorf? Erreichen Sie mit dieser neuen Form der Seelsorge mehr Menschen in den Städten?

Schwaderlapp: Es werden dort Akzente gesetzt, Menschen angesprochen, die sonst so nicht erreicht würden. Schön ist, dass über 50 Ehrenamtliche hier in Bonn zum Gespräch zur Verfügung stehen. Das ist ein enormes Potenzial.

GA: Wie sieht Ihre eigene berufliche Zukunft aus, wenn Kardinal Meisner in absehbarer Zeit von seinem Amt zurücktritt?

Schwaderlapp: Die liegt in Gottes Hand. Der Generalvikar ist das "andere Ich" des Bischofs. Wenn der Bischof abtritt, "stirbt" auch der Generalvikar. Es gibt aber im Erzbistum viele andere seelsorgliche Aufgaben, die mich reizen.

GA: Wie lange wird Ihr Chef denn noch im Amt sein?

Schwaderlapp: Er sagt selbst, er sei gebeten worden, bis auf Weiteres im Amt zu bleiben.

Zur PersonDer 41-jährige Dominik Schwaderlapp, ein gebürtiger Westerwälder, war drei Jahre Kaplan in Neuss, bevor ihn Joachim Kardinal Meisner 1996 zu seinem Büroleiter - im Kirchendeutsch: Geheimsekretär - machte.

Am Pfingstmontag ist der promovierte Theologe fünf Jahre Generalvikar. In dieser Zeit setzte er gegen teils großen Widerstand der Pfarreien das Sparprogramm "Zukunft heute" durch. Mit "Wandel gestalten, Glauben entfalten" will das Erzbistum die Seelsorge mehr in den Mittelpunkt rücken.

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