Überholspur im Internet? Netzneutralität: Experten befürchten negative Folgen

Berlin · Netzneutralität gilt für viele Menschen als Fundament des Internet. In den USA sollen Provider nun zahlenden Kunden den Vortritt lassen können. Das könnte auch Auswirkungen für deutsche Verbraucher haben, befürchten Verbraucherschützer und Netzpolitiker.

 Der Grundsatz der Netzneutralität besagt, dass alle Daten gleich behandelt werden müssen.

Der Grundsatz der Netzneutralität besagt, dass alle Daten gleich behandelt werden müssen.

Foto: Sven Hoppe

Die Abschaffung der strikten Regeln zur Netzneutralität in den USA könnte nach Befürchtungen von Experten zumindest mittelfristig auch Auswirkungen auf Deutschland haben.

Die Entscheidung der amerikanischen Telekom-Aufsicht FCC führe dazu, dass ohnehin marktmächtige Anbieter weiter gestärkt und der Zugang kleiner und mittlerer Anbieter weiter erschwert würden, sagte der netzpolitische Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

"Die direkte Folge ist ein "Zwei-Klassen-Internet", in dem derjenige bevorzugt wird, der es sich leisten kann, für Überholspuren und neue Datentarife tief in die Tasche zu greifen."

In Europa würden auch die Verbraucher die Entscheidung "indirekt zu spüren bekommen", sagte Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) in Berlin. Die Auswahl werde schrumpfen. Direkte Auswirkungen erwartet Müller hingegen nicht, da es seit 2016 hierzulande eine europaweit einheitliche Leitlinie gibt, die die Netzneutralität weitgehend schützt.

"Die Netzneutralität war und ist der Garant für ein demokratisches und innovationsförderndes Internet", betonte von Notz. Die Gleichbehandlung aller Datenpakete habe den Erfolg des Internets, wie wir es heute kennen, erst möglich gemacht. In den USA ist es den Providern per FCC-Entscheidung nun freigestellt, bestimmten Datenströmen Vorrang zu geben und zahlenden Kunden eine Überholspur einzurichten. Auf den Beschluss von Donnerstag dürfte eine längere Auseinandersetzung vor Bericht folgen.

Die Entscheidung der FCC dürfte über kurz oder lang aber auch hierzulande Begehrlichkeiten wecken, schätzt der Netzaktivist Markus Beckedahl. "Da dürften die USA zum Trendsetter werden", sagte er dem Radioprogramm "SWR Aktuell" am Donnerstagabend. Hiesige Telekom-Unternehmen würden jetzt "neidisch in die USA schauen". Dort bekämen ihre wenigen Konkurrenten jetzt viel mehr Freiheit, das Internet so umzubauen, wie sie es gerne hätten. Vodafone und Telekom würden bereits heute mit Diensten wie "StreamOn" oder Vodafone Pass die EU-Verordnung zur Netzneutralität aushöhlen.

Bei diesen Tarifen werden bestimmte Musik- oder Video-Dienste nicht auf das Datenvolumen angerechnet. "Diese Daten werden bevorzugt, alle anderen werden benachteiligt. Das ist ganz klar eine Verletzung der Netzneutralität", sagte Beckedahl. Auch Müller vom vzbv siedelt die Angebote in einem rechtlichen Graubereich an. Die Bundesnetzagentur bestätigte am Freitag allerdings die Rechtmäßigkeit des Angebots, forderte aber in Teilaspekten Änderungen. Die Telekom will nach eigenen Angaben von Freitag Widerspruch gegen die Entscheidung der Bundesnetzagentur einlegen.

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