Schneller Fortschritt Bonn soll für führende KI-Köpfe interessant bleiben

Bonn · Künstliche Intelligenz könnte für die Menschheit ähnlich wichtig werden wie die industrielle Revolution. Der Bonner KI-Experte Christian Bauckhage sieht Deutschland mittlerweile gut aufgestellt. In NRW übernimmt Sankt Augustin eine Führungsrolle.

 Die Kuratorin Judith Spickermann in der Ausstellung: "Künstliche Intelligenz und Robotik" im Heinz Nixdorf MuseumsForum. KI trifft auf ein ambivalentes Echo, sagte der Verband ZVEI.

Die Kuratorin Judith Spickermann in der Ausstellung: "Künstliche Intelligenz und Robotik" im Heinz Nixdorf MuseumsForum. KI trifft auf ein ambivalentes Echo, sagte der Verband ZVEI.

Foto:  Guido Kirchner

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) könnte für die Menschheit eine ähnliche Bedeutung bekommen wie die industrielle Revolution. Um diese Dimension für die Zukunft zu erkennen, muss man eigentlich nur in die jüngste Vergangenheit blicken. "Was seit 2010 auf dem Gebiet passiert ist, ist wirklich bemerkenswert. Die Entwicklung ist plötzlich so schnell vorangeschritten", sagt Christian Bauckhage, wissenschaftlicher Direktor am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme in Sankt Augustin. "Wir sind in der Lage, Sachen zu machen, das hätte man vor zehn Jahren nicht gedacht. Das ist dramatisch vorangegangen," sagt der 46-Jährige, der seit 20 Jahren hauptberuflich im Thema KI unterwegs ist.

Dabei spielen drei Faktoren eine Rolle: Es gibt heute extrem viele Daten, mit denen Computer lernen und Aufgaben lösen können. Gleichzeitig sind sie immer schneller geworden und können große Datenmengen schnell verarbeiten. Und es gibt im Internet frei zugängliche und meist kostenlose Software, die jeder nutzen kann, um KI-Anwendungen zu programmieren.

"Dadurch wurde der Fortschritt so dramatisch schnell. Und das wird so weitergehen. Wir werden in immer kürzerer Zeit immer neue bahnbrechende KI-Systeme sehen", glaubt Bauckhage. "The sky is the limit", sagt er und meint damit, dass es fast keine Grenzen gibt.

Allerdings schränkt der Experte ein, dass der aus den 1950er Jahren stammende Begriff "Künstliche Intelligenz" eigentlich schlecht gewählt sei. Das Wort "Künstliche Intelligenz" wecke Assoziationen, die oft nicht angemessen seien. "Wir glauben dann, dass die Maschinen denken oder fühlen können. Ein Eigenleben, einen eigenen Antrieb, Selbsterkenntnis haben." Aber so sei es nicht. "Wir haben Computerprogramme, die sehr anspruchsvolle Aufgaben lösen können. Aber selber denken, selber Ideen haben, das können diese Programme nicht. Noch nicht", wie Bauckhage einschränkt. "Aber das wäre eine denkbare Sache, die in ferner Zukunft passieren könnte, dass echte Künstliche Intelligenz auftritt. " Ob Deutschland bei der Entwicklung eine größere Rolle spielt, ist offen. Der Experte ist aber überzeugt, dass sich Deutschland beim Thema KI nicht verstecken muss. Insbesondere beim Einsatz von KI-Technologie in der industriellen Produktion - wenn es darum gehe, Industrieprozesse weiter zu optimieren und zu automatisieren - sei Deutschland gut aufgestellt. Woran es fehle, sei die Entwicklung von Produkten. Da sieht Bauckhage die USA und auch China als absolut dominierend an.

Im Gegensatz zu Professor Sepp Hochreiter sieht er Deutschland mit den Plänen der Bundesregierung zur Förderung von Künstlicher Intelligenz auf einem guten Weg. "Es stimmt, dass wir beim Thema KI ein bisschen geschlafen haben in den vergangenen zehn Jahren. Da ist in Deutschland die Dramatik der Digitalisierung öffentlich nicht gut verstanden worden. Ich glaube aber, dass sich das mittlerweile geändert hat, und ich bin gar nicht so besorgt, was die Zukunft angeht", so Bauckhage. Ein wichtiger Teil des gerade aufgelegten Programms der Bundesregierung sei es, dafür zu sorgen, dass die Technologie auch zum praktischen Einsatz kommt. "Es nutzt nichts, wenn wir nur forschen oder erfinden. Das machen die Amerikaner und die Chinesen viel besser. Die nehmen die Technologie und gründen Unternehmen. Und dann kommt so etwas heraus wie Google. An der Stelle könnten wir in Deutschland besser werden. Und das ist das Ziel der Regierung", so Bauckhage.

Auch wenn in Deutschland kein zweites Google, Facebook oder Amazon mehr entstehen werde; was Deutschland schaffen könne, sei die Industrie 4.0 - also Maschinen- und Anlagenbau mit Computern zusammenzubringen. "Das können die großen US-Konzerne nicht so gut." Auch Nordrhein-Westfalen will zunächst 25 Millionen Euro investieren, um unter Führung des Fraunhofer-Instituts in Sankt Augustin eine landesweite Kompetenzplattform "Künstliche Intelligenz" zu gründen. "Damit wollen wir den Unternehmen kompetente Ansprechpartner an die Hand geben, die den Transfer von der Forschung in die Anwendung leisten können", erklärt Bauckhage. "Und wir bekommen einen Überblick darüber, wo der Bedarf der Industrie liegt. Das ist eine Win-win-Situation, die unsere Arbeit erleichtern und dafür sorgen wird, dass der Standort auch für führende Köpfe auf dem Gebiet interessant bleibt." Und damit eine Tradition von bedeutenden KI-Forschern fortsetzen, die ihre Zeit in Bonn und der Region verbracht haben und etwa an der Uni Bonn promoviert haben. So wie Sebastian Thrun, Professor für Künstliche Intelligenz in Stanford und ehemaliger Google-Vizepräsident.

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