Merkel lässt EU-Tür für Ukraine offen

Berlin/Kiew · Trotz der ablehnenden Haltung der Ukraine klammert sich die Europäische Union bis zur letzten Sekunde an die Hoffnung auf ein historisches Partnerschaftsabkommen mit der früheren Sowjetrepublik.

 Janukowitsch ist sauer auf den Westen. Foto: Hendrik Schmidt

Janukowitsch ist sauer auf den Westen. Foto: Hendrik Schmidt

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"Wir haben der Ukraine eine Einladung gegeben in Zusammenhang mit der östlichen Partnerschaft. Wir werden sie weiter einladen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in Berlin. Merkel reist an diesem Donnerstag zu einem EU-Gipfeltreffen mit östlichen Nachbarstaaten in die litauische Hauptstadt Vilnius.

Die Ukraine hatte das weitreichende Assoziierungsabkommen auf Eis gelegt, nachdem das wichtige Nachbarland Russland mit Wirtschaftssanktionen gedroht hatte. Der zweitgrößte Flächenstaat Europas sei wirtschaftlich noch nicht reif für einen solchen Schritt, behauptete Präsident Viktor Janukowitsch in einem Fernsehinterview.

In Kiew gingen erneut Menschenmassen gegen die Entscheidung auf die Straße. "Heute gibt es in der Ukraine keinerlei Perspektiven", rief der Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko der Menge zu. Tausende Studenten aus allen Teilen des Landes zogen durch das Zentrum der ukrainischen Hauptstadt, wie der oppositionsnahe 5. Kanal berichtete. In Sprechchören appellierten sie an Janukowitsch, das Abkommen über eine engere Zusammenarbeit mit der EU und freien Handel doch noch zu unterzeichnen.

Die inhaftierte Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko rief die Opposition zur Geschlossenheit im Kampf für eine EU-Annäherung auf. Die innere Spaltung der prowestlichen Kräfte bei den aktuellen Straßenprotesten bedeute Schwäche und müsse überwunden werden, schrieb die Oppositionsführerin in einem eindringlichen Appell. Timoschenko, die am Mittwoch 53 Jahre alt wurde, setzte ihren Hungerstreik für eine Unterzeichnung des Abkommens mit der EU fort.

Janukowitsch will auf dem zweitägigen EU-Gipfel der Östlichen Partnerschaft, wo auch ein Treffen mit Merkel geplant ist, für Dreiergespräche zwischen Kiew, Brüssel und Moskau über eine Zukunft der Ukraine werben. Zugleich sprach er sich dafür aus, die Zusammenarbeit mit Russland zu erneuern. Der Kreml zeigte sich dazu bereit. Der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, behauptete, die Entscheidung über die Unterzeichnung des Abkommens mit der EU sei eine "souveräne und innere Angelegenheit" der Ukraine.

Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite als Gastgeberin des Gipfels warf Russland in scharfem Ton "Erpressung" vor. "Das Verhalten Russlands gegenüber Ländern wie der Ukraine, Moldau oder Georgien zeigt, dass dieses Land nach wie vor zu sehr unzivilisierten Methoden greift", sagte Grybauskaite der "Zeit" (Donnerstag).

Merkel sprach mit Blick auf die Entscheidung in Kiew von einem "strukturellen Problem" im Verhältnis zu Russland, das die künftige große Koalition überwinden wolle. "Ein Heranrücken an Europa wird im Augenblick immer verstanden als Abrücken von Russland." Diese "Entweder-oder-Mentalität" müsse beendet werden. "Der Kalte Krieg ist zu Ende. Die Länder müssen freiwillig entscheiden dürfen und sollen freiwillig entscheiden", betonte die Bundeskanzlerin.

Regierungskreise in Berlin appellierten noch einmal an die Ukraine, die in der Haft erkrankte Timoschenko freizulassen. Das Angebot, sie in der Berliner Charité zu behandeln, bestehe weiter, hieß es. Ohne die Freilassung Timoschenkos werde es keinen Konsens in der EU über die Umsetzung des Assoziierungsabkommens geben.

Auf dem zweitägigen Gipfel in Vilnius wollen die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Mitglieder die Zusammenarbeit mit den Ex-Sowjetrepubliken Ukraine, Weißrussland, Armenien, Aserbaidschan, Georgien und Moldau diskutieren und die Leitlinien für die Zukunft der Östlichen Partnerschaft festlegen. Nach der Kehrtwende der Ukraine ist nun nur noch mit zwei der sechs Nachbarstaaten - Georgien und Moldau - die Unterschrift unter ein Assoziierungsabkommen über eine engere Bindung an die EU geplant.

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