Das bessere Spaßbad Baggersee für alle!

Meinung · Unser Autor träumt davon, dass diverse Kommunen ihre teuren Schwimmbadprojekte verschieben und das bessere Spaßbad bauen. Natürlicher, menschlicher, ökonomischer: den eigenen Baggersee. Für ihn sind sie ein Sehnsuchtsort.

Die idyllischsten Fleckchen verbergen sich oft direkt neben den Zerstörungsspuren der Moderne. Neben den Autobahnen etwa. Um die aufzuschütten, braucht es Kies. Weil der bisweilen direkt nebenan ausgeschürft wurde, lockt direkt am Asphalt oft der Gegenentwurf zur Beschleunigung: der stille Sehnsuchtsort Baggersee.

Rekordkrauler verlieren sich auf der weiten Fläche, statt mich wie im „Spaß“-Bad sportlich beiseite zu schubsen. Die Blätter der Silberpappel rauschen mit der Überholspur um die Wette. Da krabbeln am Strand die Sandlaufkäfer und flitzen die Eidechsen ins Gebüsch. Da summt die Wildbiene ins Nestloch an der Lehmwand. Da piepsen die Haubentaucherküken auf dem Wasser neben mir her. Da nervt kein Molekül Chlor die Augen, wenn ich abtauche, um die Fische und Wasserpflanzen zu bestaunen.

Der einzig unschöne Strich im Bild ist der erhobene Zeigefinger jener Grals-Hüter, für die das reine Dasein selbst des stillsten Menschen dem sofortigen Exitus aller Ökosysteme gleichkommt. Der Leute, die mich lieber im hoch subventionierten Nationalparkzentrum sehen als in der echten (kostenlosen) Natur. Der Leute, die sagen: „Wir setzen auf die Vernunft der Erholungssuchenden“ (soll heißen: Wer nicht kuscht, ist dumm).

Der Eisvogel flattert an vielen Orten

Ich habe keinen Magister für Biologie. Nur tiefe Freude an ihren bepelzten, beflossten, beblätterten, gefiederten und geschuppten Vertretern. Und weil ich Laie bin, darf ich glauben, dass sie darwinistisch geübt und darum viel anpassungsfähiger sind, als jene Helikopter-Ökologisten denken. Der Eisvogel etwa: Er flattert nicht nur unter der Glasglocke der Flora-Fauna-Habitate – sondern auch direkt neben dem Radweg (an der Sieg), unter der ICE-Brücke (an der Agger), neben der Bundesstraße (im Bergischen Land).

Jeder Baggersee macht mich an diesen Widerspruch in unserem Umgang mit der Welt denken. Erst lässt irgendeine Behörde fast alle schönen Ecken im Land mit Gewerbegebieten, Umgehungsstraßen und Einfamilienhausghettos zukleistern. Dann deklariert eine zweite Behörde alles, was gottlob noch übrig ist, zur verbotenen Zone – statt es offenzulassen, damit wir merken, was wir mit all der Zukleisterei verlieren.

Viel zu viele ungenutzte Baggerseen sind umstellt von Stacheldrahtzäunen, für die nur irgendwelche Angelvereine den Schlüssel haben. Viel zu viele Sehnsuchtsorte sind zum Privatbesitz einer Natur-Elite geworden. Zugleich wähnen wir, dass es Kindern die Natur nahebringe, wenn sie ausgestopfte Tiere besichtigen dürfen (Lernzielkontrolle inklusive). Während landauf, landab aus den Museen Spielplätze werden, wird aus der Natur ein Museum. Dabei sollte es doch umgekehrt sein.

Ein See für ein paar hunderttausend Euro

Wer will mir das Träumen auf spätere Sommer verwehren? Ich träume davon, dass diverse Kommunen ihre teuren Schwimmbadprojekte verschieben und das bessere Spaßbad bauen. Natürlicher, menschlicher, ökonomischer: den eigenen Baggersee. Ohne Verbotskeule.

Ich bin kein Tiefbau-Experte und weiß nicht, wie viel so etwas kostet. Gefühlt zweistellige Millionenbeträge wie für das durchschnittliche Spaßgesellschaftsaquarium mit seinen Whirlpools und Massagedüsen und Temporutschen und Saunalandschaften und Panoramarestaurants werden es aber wohl kaum sein.

Vielleicht ist es mit einem geschulten Kiesbaggerführer und ein paar hunderttausend Euro getan. Dazu ein paar neue Stellen im Ordnungsamt, um jene Idioten abzuschrecken, für die „Baggersee“ dasselbe ist wie „rumgrölen, saufen, Müll liegenlassen“. Fertig.

Wie wäre es also mit einem Baggersee im Messdorfer Feld? Es könnte die grüne Lunge der Bundesstadt bleiben – mit einem blau leuchtenden, kristallkühlen Juwel in der Mitte. Natürlich ließe es sich dann nicht mehr mit Einfamilienhausghettos zukleistern. Schade aber auch.

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