Diskussion um Haushalt Aufschrei gegen Etatpläne von Olaf Scholz

Entwicklungsorganisationen wie Welthungerhilfe und Brot für die Welt üben scharfe Kritik am Etatentwurf des Finanzministers. Auch Ressortchef Gerd Müller will Kürzungen nicht hinnehmen. Sogar SPD-Politikerinnen lehnen das Vorhaben des Genossen ab.

Als sich Union und SPD im Februar 2018 auf den Koalitionsvertrag geeinigt hatten, waren Hilfsorganisationen wie die Welthungerhilfe positiv gestimmt: „Ein starkes Signal für 815 Millionen hungernde Menschen“, bilanzierte die in Bonn ansässige Organisation und notierte zufrieden, dass die Koalitionäre eine „deutliche Erhöhung“ der Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit versprachen und bekräftigten, dass sie am Ziel festhalten, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens dafür aufzuwenden.

Ein gutes Jahr später ist die Ernüchterung nicht nur bei der Welthungerhilfe groß. Der Grund: Am Wochenende wurden die Haushaltspläne von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bekannt, nach denen der Etat des Entwicklungsministeriums 2020 auf dem Niveau von 2019 eingefroren, in den folgenden Jahren sogar gekürzt werden soll.

"Eine falsche Weichenstellung"

Entsprechend laut ist – noch bevor das Kabinett an diesem Mittwoch über die Scholz-Pläne entscheidet – der Aufschrei von Entwicklungs- und Hilfsorganisationen: „Der vorliegende Haushaltsentwurf ist eine falsche Weichenstellung, die das Bundeskabinett korrigieren muss“, sagte Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe, dem General-Anzeiger. „Wenn Deutschland einerseits mit einem Sitz im UN-Sicherheitsrat mehr internationale Verantwortung übernimmt, darf es sich nicht hintenrum aus der Verantwortung stehlen. Für die Bekämpfung des Hungers und der Armut sowie der Folgen des Klimawandels müssen ausreichend Mittel zur Verfügung stehen.“

Auch Entwicklungsminister Gerd Müller geht auf die Barrikaden: „So können wir die zusätzlichen internationalen Verpflichtungen, insbesondere im Klimabereich nicht erfüllen“, sagte der CSU-Politiker dem „Handelsblatt“. „Allein hier beträgt die Finanzierungslücke 500 Millionen Euro.“ Es geht unter anderem um einen Entwicklungsinvestitionsfonds, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Oktober angekündigt hat.

Allein dieser sieht bis Ende der Legislaturperiode eine Milliarde Euro für Investitionen in Afrika vor und sei nicht „durchfinanziert“, sagte ein Ministeriumssprecher der Deutschen Presse-Agentur. Müller macht sich nicht zuletzt Sorgen um den internationalen Ruf Deutschlands: Es sei fatal, wenn Deutschland ausgerechnet in dem Jahr seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann, in dem UN-Generalsekretär Antonio Guterres zu einem Sonder-Klimagipfel einlädt.

Appell an die Bundesregierung

„Der Finanzminister untergräbt die internationale Glaubwürdigkeit der Kanzlerin, deren internationale Finanzierungszusagen kaum mehr einzuhalten sein dürften“, kritisiert auch die Präsidentin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel und nennt die Scholz-Vorschläge unverantwortlich.

„Stillstand ist Rückschritt“, warnen die Entwicklungsorganisationen Deutsche Stiftung Weltbevölkerung, Global Citizen, One, Oxfam Deutschland, Plan International Deutschland, Save the Children und World Vision in einem gemeinsamen Appell an die Bundesregierung. „Wir können es nicht mehr hören“, heißt es da. „Egal, wie üppig die Steuereinnahmen sprudeln – es reicht offenbar nie, um die eigenen Versprechen an die Menschen einzuhalten, die von extremer Armut betroffen sind. Wir fordern nicht mehr und nicht weniger als die Einhaltung des Koalitionsvertrages.“

Aufmerksamen Beobachtern kommt die Entwicklung bekannt vor: Auch im Sommer 2018 hatte Müller angesichts des Haushaltsplans 2019 Alarm geschlagen und „falsche Prioritätensetzung“ beklagt. 270 Millionen Euro plus seien zu wenig, um die Aufgaben zu erfüllen. Am Ende stand ein Plus von 800 Millionen Euro im Etat, der erstmals über zehn Milliarden Euro stieg. Müller sprach damals von einem „deutlichen Signal“, das die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit unterstreiche. Dass die mittelfristige Finanzplanung schon damals vorsah, dass ab 2020 der Etat seines Ministeriums wieder kräftig sinkt, erwähnte er nicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort