Andreas Pinkwart: "Mit Mittelmaß kommen wir nicht weiter"

NRW-Wissenschaftsminister über die Zukunft der Fachhochschulen und Universitäten

  Innovationen in NRW:  Minister Andreas Pinkwart mit einem Roboter, der in einem Kooperationsprojekt der Uni Bielefeld und der Firma Honda entwickelt wurde.

Innovationen in NRW: Minister Andreas Pinkwart mit einem Roboter, der in einem Kooperationsprojekt der Uni Bielefeld und der Firma Honda entwickelt wurde.

Foto: dpa

Der Abstand zwischen Fachhochschulen und Universitäten schmilzt dahin. Die neuen Bachelor-Studiengänge vereinheitlichen die Abschlüsse, die FH holen in der Forschung auf und auch bei den Gehältern verzeichnen die Absolventen beider Hochschultypen keine großen Unterschiede mehr. Über die Zukunft der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen sprach mit Innovationsminister Andreas Pinkwart Johannes Seiler.

General-Anzeiger: Die Fachhochschulen boomen in Nordrhein-Westfalen. Warum?

Andreas Pinkwart: Die Fachhochschulen mit ihrer praxisnahen Lehre erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Deshalb baut das Land die Studienplätze an den Fachhochschulen massiv aus. Wir wollen den Anteil der FH an den Studienplätzen auf 40 Prozent erhöhen. Derzeit sind es lediglich 25 Prozent - zu wenig für die große Nachfrage.

GA: Sind die Fachhochschulen die Hochschulen der Zukunft?

Pinkwart: Die FH sind eine wichtige Säule unseres Hochschulsystems. Außerdem sind sie mit ihrer anwendungsorientierten Forschung wichtiger Partner der mittelständischen Unternehmen. Die Universitäten sind stärker an der Grundlagenforschung orientiert. Wir brauchen beide Hochschultypen, und wir wollen für beide Hochschultypen einen Prozess permanenter Qualitätsverbesserung. Denn alle Hochschulen stehen heute im Wettbewerb - national wie international.

GA: Welche Aufgaben haben in Ihrem Konzept die Universitäten?

Pinkwart: Die Universitäten sind vorrangig für die Gewinnung des wissenschaftlichen Nachwuchses da. Allerdings kommen dort auf jeden Lehrenden deutlich mehr Studierende als an den Fachhochschulen. Deshalb müssen die Universitäten das zusätzliche Geld, das sie haben, stärker in qualifiziertes Lehrpersonal investieren.

GA: Kommen die Universitäten durch den starken Ausbau der Fachhochschulen zu kurz?

Pinkwart: Nein. Die Universitäten haben genauso wie die Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen deutlich mehr Geld als noch vor fünf Jahren. Im Vergleich zu 2005 haben unsere Hochschulen heute jährlich eine halbe Milliarde Euro mehr.

GA: Wo geht die Entwicklung in der nordrhein-westfälischen Hochschullandschaft hin?

Pinkwart: Wir haben ein sehr ambitioniertes Ziel: Wir wollen die besten Hochschulen der Welt. Das hört sich erst mal gewagt an. Aber mit dem Anspruch, gehobenes Mittelmaß sein zu wollen, kommen wir nicht weiter. Wir wollen die Hochschulen gezielt fördern und ihnen so viel Gestaltungsfreiheit geben, dass Lehre, Spitzenforschung und Wissenstransfer Jahr für Jahr besser werden. Erste Erfolge sind ja auch zu sehen - die Absolventenzahlen steigen, die Studienanfängerzahlen steigen, die Studiendauer sinkt. Aber natürlich wird es zwischen Hochschulen Unterschiede geben, die es im Übrigen auch immer schon gab: Während die eine Uni als Forschungsuniversität international sichtbar ist, profiliert sich eine andere Hochschule als Top-Ausbilder für die regionale Wirtschaft.

GA: An den Fachhochschulen war es bei den Bildungsprotesten Ende vergangenen Jahres vergleichsweise ruhig. Haben die FH die besseren Bachelor- und Master-Konzepte?

Pinkwart: Sicherlich trägt die bessere Betreuungsrelation an den FH dazu bei. Außerdem war das FH-Studium immer schon strukturierter, die Umstellung ist also weniger groß. Wir arbeiten aber sowohl an den Unis als auch an den FH täglich daran, besser zu werden. Die Studienbedingungen können überall besser werden, und das müssen sie auch. Die Studierenden haben jedenfalls mehr Mitsprachemöglichkeiten, und die Hochschulen nehmen die Qualität der Lehre ernster als noch vor einigen Jahren. Das ist ein guter Trend, den beide Seiten weiter ausbauen und nutzen sollten.

GA: Nur Universitäten dürfen den Doktorgrad verleihen. Wird sich daran etwas ändern?

Pinkwart: Am Promotionsrecht wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern. Ich möchte aber, dass Fachhochschulen bessere Möglichkeiten erhalten, sich an Graduiertenschulen zu beteiligen. Eines allerdings ist auch klar: Die Universitäten stehen in der Pflicht, die wissenschaftlichen Anforderungen an eine Doktorarbeit voll zu erfüllen. Das hat auch der Wissenschaftsrat gefordert.

GA: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und Universität Bonn?

Pinkwart: Ich habe den Eindruck, dass beide Hochschulen sehr offen aufeinander zugehen und ein reger Austausch stattfindet. Mich freut, dass auch die Universität der Vereinten Nationen in Bonn mit beiden kooperiert.

GA: Die Fachhochschulen werden selbstbewusster. Einige haben sich in Hochschulen umbenannt, wie die ehemalige FH Bonn-Rhein-Sieg. Ist das angemessen?

Pinkwart: Viel wichtiger als der Name einer Hochschule sind die Inhalte. Viele Bereiche an den FH genießen bereits einen exzellenten Ruf in Lehre und Forschung. Was die Fachhochschulen auszeichnet, ist vor allem ihre Praxisbezogenheit. Dieses Profil sollte man nicht leichtfertig aufgeben.

GA: Früher gab es hinsichtlich der Gehälter zwischen FH- und Uni-Absolventen große Unterschiede. Wie wird sich hier der Markt entwickeln?

Pinkwart: Bereits heute sind die Gehaltsunterschiede kaum noch erkennbar, sie sind zwischen Disziplinen teilweise größer als zwischen Hochschultypen. Im öffentlichen Dienst müssen Master-Absolventen einer Fachhochschule genauso besoldet werden wie die von einer Universität.

GA: Wird es in zehn Jahren überhaupt noch größere Unterschiede zwischen Universität und Fachhochschule geben?

Pinkwart: Wir brauchen dringend beide Hochschultypen - und auch die Unterschiede zwischen ihnen. Universitäten und Fachhochschulen werden ihre Profile weiter individuell schärfen. Und werden dann als Spezialisten auf ihrem Gebiet zu engeren projektorientierten Kooperationen finden. Davon profitiert der gesamte Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen.

Zur PersonDer FDP-Landesvorsitzende Andreas Pinkwart ist seit 2005 NRW-Wissenschaftsminister. Der 49-jährige BWL-Professor ist verheiratet und wohnt mit seiner Familie in Alfter-Witterschlick.

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