Barbara Sommer: "Eine Chance für schlechtere Schüler"

Schulministerin und ein Grundschulpädagoge über die Einführung der Kopfnoten

  Votiert für die Kopfnoten:  Schulministerin Barbara Sommer.

Votiert für die Kopfnoten: Schulministerin Barbara Sommer.

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Bonn. Schulministerin Barbara Sommer votiert für die Kopfnoten, der Grundschulpädagoge Hans Brügelmann dagegen. Die Fragen stellte Stephan Lüke.

GA: Was können Kopfnoten aussagen?

Sommer: Kopfnoten geben Aufschluss über das Arbeits- und Sozialverhalten eines Schülers - in einer Form, die von den Eltern nachvollzogen werden kann. Das ist bei Berichtszeugnissen nicht immer der Fall. Eltern brauchen eine klare Rückmeldung von den Schulen, um auf ihre Kinder einwirken zu können. Und die Schule braucht die Mitwirkung der Eltern, wenn sie ihren Erziehungsauftrag erfüllen will.

Brügelmann Das frage ich mich auch. Schon Fachnoten sagen so wenig über eine Leistung wie die Zahlen des Fieberthermometers über die Art einer Krankheit. Besonderheiten von sozialem Verhalten und Arbeitshaltung sind nicht mit Ziffern oder sprachlichen Etiketten zu fassen. Rückmeldung: ja - aber intern und so, dass die unvermeidliche Subjektivität erkennbar bleibt.

GA: Sind Kopfnoten ein weiteres Druckmittel zur Disziplinierung oder eine Hilfe zur Förderung der sozialen Kompetenz der Schüler?

Sommer: Es geht darum, den Schülern die Bedeutung von Tugenden wie Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbereitschaft deutlich zu machen. Ob im Beruf oder im gesellschaftlichen Leben - wer später erfolgreich sein will, braucht dieses Rüstzeug.

Brügelmann Für die Förderung braucht man konkrete Hinweise, welcher Art die Schwierigkeiten und, was ihre vermutlichen Ursachen sind - vor allem aber: in welcher Richtung etwas zu tun ist. Das geht alles am besten im Gespräch, persönlich oder im Klassenrat. Und nicht als Urteil "von oben", sondern als gemeinsame Klärung und Absprache. Eine Ziffer kann allenfalls eine Warnlampe - oder eine Strafe sein. Sanktionen fördern aber nur Vermeidungsverhalten: nicht auffallen, nicht erwischt werden. Sie können nicht erwünschte Haltungen aufbauen.

GA: Wie sollen Eltern auf die Kopfnoten ihrer Kinder reagieren?

Sommer: Sie sollten das Gespräch mit den Lehrerinnen und Lehrern suchen, um sich über die Hintergründe zu informieren.

Brügelmann Nachfragen! Erst beim eigenen Kind: Was könnten die Lehrer meinen? Wie siehst du das selbst? Dann in der Schule: Wie sehen Sie das? Was können wir gemeinsam tun?

GA: Was haben die Arbeitgeber von Kopfnoten auf den Zeugnissen potenzieller Praktikanten, Auszubildender oder Mitarbeiter?

Sommer: Ein Bewerber, der vielleicht nicht mit guten Fachnoten glänzt, kann für einen Arbeitgeber eben doch interessant sein - wenn er sich in der Schule leistungsbereit und zuverlässig gezeigt hat.

Brügelmann Wenig, der Schein kann trügen. Eine gute Note bekommt man für geschickte Anpassung wie für ernsthaftes Bemühen. Hinter einer schlechten Note wiederum können sich ein selbstständiger kritischer Geist und ein frecher Störer verbergen. Von den unterschiedlichen Brillen der Lehrer ganz zu schweigen.

GA: Können Kopfnoten Zukunftsperspektiven von Jugendlichen verbauen?

Sommer: Das sehe ich nicht so. Kopfnoten können vielmehr fachlich schwächeren Schülern eine Chance und damit eine Perspektive geben. Eine schlechte Note etwa in Englisch fällt vielleicht nicht so ins Gewicht, wenn ein Schüler dafür gute Kopfnoten aufweist.

Darüber hinaus können die Schulen jetzt auch ehrenamtliches Engagement auf den Zeugnissen dokumentieren. Ob ein junger Mensch beim Roten Kreuz mitarbeitet und damit Wertvolles für unsere Gesellschaft leistet, das interessiert doch auch einen Arbeitgeber.

Brügelmann Leider ja: Bei einem Bewerberüberhang bieten sich schlechte Kopfnoten als Hilfe für's Vorsortieren an - wie auch eine 5 in Rechtschreibung oder Rechnen. Aber schon die sind unsicher in ihrer Aussagekraft: entweder abhängig vom Leistungsniveau der jeweiligen Klasse und von den unterschiedlichen Maßstäben der Lehrer. Oder bei einem Test von der Tagesform und von der individuellen Fähigkeit mit Prüfungsdruck umzugehen.

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