Analyse Merz will CDU-Chef werden - Durchaus nicht chancenlos

Berlin · Nein, in die Debatte über die Kandidaten für die CDU-Spitze will sich Angela Merkel nicht einmischen. Auch nicht, wenn sich einer derjenigen meldet, der ihr seit Jahren in Ablehnung verbunden ist.

 Hat offiziell seine Kandidatur für den CDU-Bundesvorsitz angekündigt: Friedrich Merz.

Hat offiziell seine Kandidatur für den CDU-Bundesvorsitz angekündigt: Friedrich Merz.

Foto: Jens Büttner

Die Würdigung der CDU-Vorsitzenden fällt knapp aus.

"Angela Merkel verdient Respekt und Anerkennung für ihre Leistungen in 18 Jahren an der Spitze der Partei", schreibt Friedrich Merz in seiner Pressemitteilung, in der er offiziell ankündigt, sich Anfang Dezember beim Wahlparteitag in Hamburg um den CDU-Vorsitz zu bewerben.

Seit Merkel Merz 2002 bei der Wahl zum Fraktionsvorsitz im Bundestag geschlagen hatte, ist ihre Beziehung nicht mehr die beste. Ein Wiedersehen in der Konstellation Parteichef und Kanzlerin dürfte nicht lange gut gehen. Sollte Merz tatsächlich zum CDU-Vorsitzenden gewählt werden und dann auch noch eine rasche Neuwahl nötig werden, könnte er Merkel möglicherweise auch als Kanzler beerben.

Die erste Nachricht über den geplanten Rückzug Merkels vom Parteivorsitz war am Montag kaum in der Welt, da ließ Merz seine Kandidatur schon lancieren. Nun ruft er der Kanzlerin hinterher, endlich habe die CDU "die Chance, sich neu aufzustellen und eine neue Parteiführung zu wählen".

Merz, der in eineinhalb Wochen 63 wird, schreibt der 64-jährigen Merkel ins Stammbuch: "Wir brauchen in der Union Aufbruch und Erneuerung mit erfahrenen und mit jüngeren Führungspersönlichkeiten." Er wolle dafür Verantwortung übernehmen und alles tun, "um den inneren Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit der CDU Deutschlands zu stärken".

Mit Blick auf die Konkurrenz von der rechtspopulistischen AfD könnte Merz punkten. Er gilt als liberal-konservativ und wurde schon als Fraktionschef als "Wertkonservativer" eingestuft. Merz gilt als Urheber des umstrittenen Begriffs von der "deutschen Leitkultur", ein Ausdruck dessen, dass er lange versuchte, die Ausländerpolitik der CDU auf ein Nein zur Zuwanderung festzuschreiben.

Ein weiterer Vorteil von Merz ist, dass er nun von außen kommt und mit der lähmenden Regierungsbildung und den ganzen Querelen der vergangenen Monate eigentlich nichts zu tun hat. Er scheint aktuell politisch nicht verbraucht. Allerdings kann ihm auch als Manko ausgelegt werden, dass er sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren kaum bis gar nicht für die Partei eingesetzt hat.

Merz dürfte bei seiner Anwaltstätigkeit vor allem von seiner Vernetzung in der Parteienlandschaft profitiert haben. Ein Fragezeichen steht hinter seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der immer mal wieder in der Kritik stehenden Investmentgesellschaft BlackRock. Der eine oder andere dürfte in den kommenden Tagen und Wochen nachhaken, was Merz da eigentlich gemacht hat.

Er habe sich "nach reiflicher Überlegung und nach zahlreichen Gesprächen" für diesen Schritt entschieden, schreibt Merz in seiner Erklärung. Soll wohl heißen: Ich bin in der Partei durchaus noch präsent und genieße Unterstützung. In der Tat ist nicht nur der Wirtschaftsflügel der CDU von seiner Kandidatur überzeugt. Merz habe in einem Teil der Partei nach wie vor einen guten Ruf, heißt es. Er sei also nicht chancenlos.

Er sei ein guter Redner, klar in der Ansage und habe während seiner Zeit als Unionsfraktionschef von 2000 bis 2002 gezeigt, dass er konzeptionell arbeiten könne. Unvergessen sind seine Eckpunkte einer radikalen Steuerreform, die mit drei Stufen auf einem Bierdeckel erklärbar sein sollte. Das Konzept hörte sich gut an, allerdings hatten Fachleute relativ schnell klargestellt, dass es so nicht umsetzbar sei.

Der Hinweis auf seine Vernetzung in der Partei dürfte auch ein Signal an die bisher bekannten Konkurrenten um den Parteivorsitz sein: Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn. Diese beiden haben sich in den vergangenen Jahren durchaus um die Partei verdient gemacht.

Kramp-Karrenbauer hatte ihren Ministerpräsidentenposten im Saarland aufgegeben, um die CDU in schweren Zeiten als Generalsekretärin aus der Parteizentrale heraus neu aufzustellen. Sie gilt als Merkel-Vertraute. Doch es heißt in der Partei auch, sie mache durchaus ihr eigenes Ding - immer wieder hat sie sich in den zurückliegenden Monaten vom Merkel-Kurs abgegrenzt. Allerdings: Die 56-Jährige ist nicht im Bundestag. Sollte es also mit dem Parteivorsitz nichts werden, steht sie praktisch mit leeren Händen da.

Am meisten aber dürfte sich Jens Spahn über die Kandidatur seine Parteifreundes aus dem nordrhein-westfälischen Landesverband ärgern. Der 38-Jährige, konservativer Kritiker Merkels, dürfte in der Partei im gleichen konservativen Becken fischen wollen wie Merz. Eine unmittelbare Konkurrenz also.

Und was macht NRW-Ministerpräsident Armin Laschet? Der Merkel-Vertraute lässt offen, ob auch er antritt. Sollte er seinen Hut in den Ring werfen, dürfte sich die Gemengelage nochmals vollständig verändern. Zurzeit sehen die Bürger zwei Umfragen zufolge Merz als Favoriten für den CDU-Vorsitz.

"Das ist jetzt ein offener Prozess", sagt Merkel. Sie habe gelernt, "dass man sich in die Frage der Nachfolgen nicht einmischen sollte, weil das noch nie geklappt hat". Die Bewerbungen werde man sich anschauen und "es dann zur Entscheidung bringen auf dem Parteitag in Hamburg".

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