Gespräch mit saudischem König Merkel verurteilt Khashoggi-Tötung aufs Schärfste

Berlin/Riad · Erst wollte Saudi-Arabien vom Tod des Journalisten Jamal Khashoggi nichts gewusst haben. Dann hieß es, er sei bei einer Schlägerei ums Leben gekommen. Jetzt präsentiert Riad wieder eine neue Version. Und die Kanzlerin findet klare Worte.

 Bundeskanzlerin Merkel fordert von Riad eine schonungslose Aufklärung des Falls Kashoggi.

Bundeskanzlerin Merkel fordert von Riad eine schonungslose Aufklärung des Falls Kashoggi.

Foto: Francisco Seco/AP

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Saudi-Arabien zur raschen Aufklärung des Tathergangs im Fall des getöteten Journalisten Jamal Khashoggi aufgefordert.

Dies müsse zudem transparent und glaubhaft erfolgen, verlangte Merkel nach Angaben der Bundesregierung in einem Telefonat mit dem saudischen König Salman. Die Kanzlerin verurteilte demnach die Tötung Khashoggis "aufs Schärfste", alle Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Der Sohn des Getöteten scheint das Königreich indes nach Aufhebung einer monatelangen Ausreisesperre verlassen zu haben und in die USA geflogen zu sein.

Zum Telefonat Merkels mit dem König teilte die Bundesregierung noch mit, "im Lichte der laufenden Entwicklungen des Falles" stehe Deutschland bereit, "zusammen mit internationalen Partnern angemessene Maßnahmen zu ergreifen". Einzelheiten dazu wurden nicht genannt.

Einen Waffenexport-Stopp aller EU-Länder nach Saudi-Arabien fordert die österreichische EU-Ratspräsidentschaft. Die Tötung Khashoggis sei "zutiefst erschütternd", sie sei aber "nur der Gipfel des Horrors", sagte die österreichische Außenministerin Karin Kneissl der "Welt". "Vor allem der schreckliche Krieg im Jemen und die Katar-Krise sollten uns Anlass sein, als Europäische Union gegenüber Saudi-Arabien endlich gemeinsam zu handeln. Wenn wir als gesamte EU Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien stoppen, kann das ein Beitrag zur Beendigung dieser Konflikte sein."

Am Donnerstag hatte bereits das EU-Parlament einen europaweiten Stopp von Waffenexporten nach Saudi-Arabien gefordert. Deutschland will als Reaktion auf die Khashoggi-Tötung keine Waffen mehr an Saudi-Arabien liefern. Andere Länder wollen so weit nicht gehen. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez etwa schloss einen solchen Schritt aus. Er müsse "die Interessen Spaniens schützen", sagte er zuletzt vor dem Parlament in Madrid. Saudi-Arabien importiert laut dem Stockholmer Sipri-Institut für Friedensforschung nach Indien die zweitmeisten Waffen weltweit .

Der saudische Regierungskritiker Khashoggi war Anfang Oktober in das Konsulat des Königreichs in der türkischen Metropole Istanbul gegangen, um dort Papiere für seine geplante Hochzeit abzuholen. Danach verschwand er. Saudi-Arabien behauptete zunächst, nichts über Khashoggis Verbleib zu wissen. Nach massivem internationalen Druck erklärte Riad dann zunächst, er sei im Konsulat versehentlich bei einer Schlägerei getötet worden. Am Donnerstag folgte erneut eine Kehrtwende: Die Verdächtigen in dem Fall hätten mit Vorsatz gehandelt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft des Königreichs mit. Das legten Informationen nahe, die von den türkischen Ermittlern stammten. Die saudischen Behörden hatten 18 Verdächtige festgenommen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte von einem "brutalen Mord" gesprochen, US-Präsident Donald Trump von einem dilettantisch verschleierten Verbrechen. Nach Angaben des Weißen Hauses unterrichtete CIA-Direktorin Gina Haspel den US-Präsidenten am Donnerstag über die Erkenntnisse der türkischen Regierung und ihre Gespräche in dem Land. Haspel war nach wachsenden Zweifeln an den Unschuldsbeteuerungen des saudischen Königshauses in die Türkei gereist.

Medienberichten zufolge ließ die türkische Regierung Haspel Audioaufnahmen von der Tötung Khashoggis vorspielen. Das berichtete die "Washington Post" unter Berufung auf nicht genannte Quellen. Das Weiße Haus pflegt enge Verbindungen zu dem Land und sieht es als wichtigen Partner in der Region an. Die Vereinigten Staaten sind zudem in den Fall involviert, weil Khashoggi zuletzt im US-Exil lebte und dort auch für die "Washington Post" schrieb.

Sein Sohn scheint nun die Gelegenheit genutzt zu haben, den Wüstenstaat zu verlassen. Der Sender CNN berichtete am Donnerstagabend (Ortszeit), dass er nach Aufhebung seiner Ausreisesperre in den USA angekommen sei und berief sich dabei auf eine Quelle aus dem Umfeld der Familie. Demnach hat Salah bin Jamal Khashoggi sowohl die saudische Staatsbürgerschaft als auch die der USA. Einige Stunden zuvor hatte auch die Leiterin der Nahost- und Afrika-Abteilung von Human Rights Watch, Sarah Leah Whitson, auf Twitter geschrieben, Khashoggis Sohn habe Saudi-Arabien nach Aufhebung der Ausreisesperre samt Familie in Richtung USA verlassen.

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