Kommentar zum französischen Präsidenten Tiefer Fall

Meinung | Paris · Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will das Land reformieren, doch dabei setzt er zu sehr auf die Starken und vergisst die Schwachen, kommentiert GA-Korrespondent Knut Krohn.

 Der französische Präsident Emmanuel Macron beim Treffen der Führungskräfte der Nato.

Der französische Präsident Emmanuel Macron beim Treffen der Führungskräfte der Nato.

Foto: dpa/Matt Dunham

Emmanuel Macron ist tief gestürzt – die Fallhöhe ist schwindelerregend. Keine zwei Jahre ist es her, dass der französische Präsident wie eine Art politischer Heilsbringer gefeiert wurde. Diese übergroße Hoffnung ist inzwischen aber in große Enttäuschung umgeschlagen.

Allerdings kann man Macron nicht den Vorwurf machen, das Volk getäuscht zu haben. Immer wieder hat er betont, er wolle das Land von Grund auf reformieren. Nach seinem Sieg bei der Wahl machte er sich unverzüglich ans Werk und brach verkrustete Strukturen auf, die in seinen Augen das dringend nötige wirtschaftliche Wachstum behinderten. So lockerte er zum Beispiel den Kündigungsschutz und auch für Arbeitslose gelten längst schärfere Regeln.

Die Philosophie des Präsidenten ist es, die Starken in der Gesellschaft weiter zu stärken, da sie in seinen Augen für den Fortschritt sorgen – die Schwachen und Abgehängten spielen in seinen Plänen eine untergeordnete Rolle. Doch viele im Volk wollten ihm dabei nicht folgen und die Wut der enttäuschten Bürger entlud sich auf der Straße.

Zwar hat Emmanuel Macron nach einigem Zögern reagiert und mit milliardenschweren Entlastungen für die unteren Einkommen und Rentner der Bewegung der „Gelbwesten“ den größten Schwung genommen, doch die Unzufriedenheit im Volk gärt weiter.

Dennoch will Macron von seinem Reformkurs nicht abweichen. Das gilt auch für den nun anstehenden Umbau des Rentensystems – aber er scheint aus seinen anfänglichen Fehlern wenig gelernt zu haben. Immer wieder beruft sich der Staatschef auf Umfragen, wonach drei Viertel der Franzosen eine Reform befürworten.

Das System ist zu teuer und zu kompliziert, dieser Feststellung kann niemand widersprechen. Doch viele Betroffene äußern das Gefühl, dass sich der Präsident wieder zu sehr an den Zahlen orientiert und die Verlierer der Reform – von denen es viele geben wird – alleine zurück lässt.

Dieses Mal wird es Macron auch nicht mehr helfen, dass er ein begnadeter Kommunikator ist. Die Menschen wollen nichts mehr hören von seinen Visionen von einem dynamischen, gerechten und modernen Frankreich. Sie wollen, dass sich der Präsident um alle Franzosen kümmert, nicht nur um die Starken – doch diesen Beweis ist Emmanuel Macron bis jetzt schuldig geblieben.

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