Kommentar zu Papst Franziskus Noch nicht reif

Meinung | Rom · Er gilt als Mann der Überraschungen. Die katholische Kirche erwartete von Papst Franziskus’ post-synodalen Schreiben zu Amazonien die Lösung aller Probleme. Doch der Papst entzieht sich der Debatte, findet unser Autor.

   Papst Franziskus begrüßt ein Mitglied der Päpstlichen Schweizergarde bei seiner Ankunft zu einer Sitzung der Amazonas-Synode.

Papst Franziskus begrüßt ein Mitglied der Päpstlichen Schweizergarde bei seiner Ankunft zu einer Sitzung der Amazonas-Synode.

Foto: dpa/Andrew Medichini

Papst Franziskus gilt als Mann der Überraschungen. Dem hat der Oberhirte der katholischen Kirche nun wieder alle Ehre gemacht. Der katholische Kosmos erwartete sich von seinem postsynodalen Schreiben zu Amazonien je nach Position die Lösung aller Probleme oder den drohenden Untergang der Kirche, jedenfalls aber die Öffnung des Priesteramts für verheiratete Männer und die Zulassung von Frauen für den ständigen Diakonat, also eine Art Vorstufe zum Priestertum. Der Papst hat sie alle auf dem falschen Fuß erwischt. Der Papst entzieht sich der Debatte.

Nimmt man das Ergebnis der Beratungen der Bischöfe im vergangenen Oktober bei der Amazonien-Synode im Vatikan zum Maßstab, ist das Papst-Schreiben gewiss ein Rückschritt. Die Entwicklung war extrem umstritten, da Gegner der Reformen befürchteten, Amazonien könne als Präzedenzfall für andere Regionen mit ähnlichen Problemen benutzt werden und letztendlich den Anfang vom Ende des Pflichtzölibats bedeuten.

Franziskus hat diesen Bedenken nun Rechnung getragen, weil er offenbar die Zeit für derartige Veränderungen in der katholischen Tektonik doch noch nicht gekommen sah. Gewiss hat Franziskus sein Urteil nicht an der Meinung des emeritierten Papstes orientiert. Aber die konzertierte Kampagne gegen die Reformbemühungen in Amazonien machte deutlich, welches Konfliktpotential in den vom Papst zu treffenden Entscheidungen schlummerte. Sogar von der Gefahr einer Kirchenspaltung war die Rede.

Im Hinblick auf die Empfehlungen der Bischöfe vom Oktober stellte Franziskus fest, der Text (mit den Vorschlägen zur Lockerung des Pflichtzölibats) besitze weiterhin Gültigkeit. Damit stehen nun zwei Dokumente nebeneinander, aber welches gilt? Der Papst-Text oder die Vorschläge der Bischöfe?

Franziskus will kein Machtwort sprechen. Die auf Zölibat und Diakonat zugespitzte Diskussion ist nun entschleunigt, aber längst nicht beendet. Die Reformer in Deutschland haben es nun dennoch schwer. Trotzdem ist die Entscheidung, oder besser gesagt die Nicht-Entscheidung, des Papstes aus innenkirchlicher Sicht das Richtige. Franziskus hat immer gesagt, es gehe darum, Prozesse einzuleiten und nicht Entscheidungen mit aller Gewalt durchzusetzen. Der Prozess geht weiter. Die katholische Kirche  ist in seinen Augen immer noch nicht reif für große Veränderungen.

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