Kommentar Ziele der NRW-Landesregierung: Kraftlos

Landesregierungen haben weniger Möglichkeiten, als sich der Bürger das gemeinhin vorstellt. Aber genauso deutlich muss man sagen: Landesregierungen haben deutlich mehr Möglichkeiten, als sie derzeit von der nordrhein-westfälischen genutzt werden.

Hannelore Kraft ist seit bald fünf Jahren Ministerpräsidentin des Bundeslandes, doch allmählich verstärkt sich der Eindruck, dass ihrer Landesregierung Ideen und Tatkraft ausgehen. Das fängt schon im Kleinen an. Wenn auf der Online-Seite der Düsseldorfer Regierung heute noch, mitten im Januar 2015, die Ziele der Landesregierung für 2014 obenan stehen, dann läuft etwas schief an der Spitze des Landes.

Gestern hat Hannelore Kraft zusammen mit ihrer Grünen-Stellvertreterin Sylvia Löhrmann die Projekte für die zweite Hälfte der Legislaturperiode vorgestellt. Sie sind - diplomatisch formuliert - übersichtlich. Hauptziel: der digitale Aufbruch. Das ist zwar lobenswert, aber tatsächlich ist der digitale Aufbruch längst Realität - zugegeben in der Wirtschaft mehr als im öffentlichen Dienst. FDP-Landeschef Christian Lindner hatte beim Dreikönigstreffen in Stuttgart die Lacher zu Recht auf seiner Seite, als er bemerkte, auf den Schulhöfen von NRW herrsche die Moderne, in den Klassenzimmern aber gehe es zurück in die Kreidezeit.

So sieht es auch in vielen Verwaltungen immer noch aus. Heißt: Das Thema digitaler Aufbruch steht endlich zu Recht ganz oben in Nordrhein-Westfalen. Aber es hätte dort viel früher stehen müssen. Man denke nur an den ländlichen Raum und die Probleme mit dem schnellen Internet, die nicht nur jeden Nutzer nerven, sondern Unternehmenschancen ruinieren. Die Ministerpräsidentin setzt also einen richtigen Akzent, aber er kommt sehr spät und die Möglichkeiten der Politik in diesem Bereich werden überschätzt. Politik kann diesen Wandel nur flankieren. Die Piraten sagen dazu, Rot-Grün hechele der Entwicklung hinterher. Und sie haben damit genauso Recht wie die Union, wenn sie davon spricht, die Regierung gebe sich damit vor allem einen "modernen Anstrich".

Themen, die in der ersten Hälfte der Legislatur eher zu Problemthemen geworden sind, gerieten gestern zu Unrecht in den Hintergrund. Das Finanzthema etwa oder das Thema Innere Sicherheit, das zugleich das Thema Menschenrechte ist. Die Bilanz ist nicht gut; in anderen Ländern wäre ein Innenminister nach Skandalen wie den Missständen in Flüchtlingsheimen nicht mehr im Amt. Und unter Johannes Rau wäre es gewiss nicht so weit gekommen, dass eine Kommune ausgerechnet auf einem früheren KZ-Gelände ein Flüchtlingsheim bauen will.

Bleibt das Dauerthema Bildung. Hier wird zugegeben investiert, Altes wiederbelebt (Stichwort: Kampagne für duale Ausbildung) und auch viel repariert. Stichwort: G8. Besonders ambitioniert ist auch das alles nicht.

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