Kommentar zur Umzugsdebatte Was Bonn braucht

Bundesbauministerin Barbara Hendricks ist eigentlich eine kluge Frau - und Nordrhein-Westfälin. Was also treibt sie, in diesen Tagen die Umzugsdebatte zwischen Bonn und Berlin immer wieder, gezielt und doch unvollendet, neu zu beleben?

Eine konkrete Gesetzesinitiative kann es nicht sein, denn die Bundeskanzlerin hat wahrlich genug Probleme auf dem Tisch, da wird sie sich nicht - künstlich - zusätzliche schaffen. Erst recht nicht vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz im kommenden und in Nordrhein-Westfalen im übernächsten Jahr. Ein Rheinland, das Verrat ruft, wäre da nicht hilfreich.

Und sie könnten Verrat rufen - die Rheinländer. Denn das Berlin/Bonn-Gesetz, wenn auch in die Jahre gekommen, ist Gesetz. Frau Hendricks will die Debatte darüber "offen und ehrlich" führen. Ehrlich gesagt: Das ist nicht sehr glaubhaft. Denn die Ministerin deklariert nicht offen ihre Ziele. Sie ergeht sich in Andeutungen. Beispielsweise der, dass nicht alle Arbeitsplätze des Bundes in der Region "zwingend in Ministerien" liegen müssten. Die Schlagzeile, die Medienleute daraus zimmern, nämlich dass alle Bundesministerien komplett Bonn verlassen sollen, lässt sie undementiert. Das ist Politik nach dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein.

Und so ist es ja auch: Die faire Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin steht nur noch auf dem Papier, die Mehrheit der ministeriellen Arbeitsplätze - laut Gesetz gehört sie nach Bonn - ebenfalls. Das heißt und das gehört auch zur Ehrlichkeit: Der Bund ignoriert sein eigenes Gesetz, verstößt gar dagegen. Ein Rechtsbruch. Doch ohne Kläger kein Richter - und deshalb geht der Rechtsbruch munter weiter und irgendwann - eines nicht zu fernen Zeitpunkts - kann sich Bonn für das Berlin/Bonn-Gesetz nichts mehr kaufen.

Weil das so ist und weil es im Bundestag wahrscheinlich nicht mal mehr eine Handvoll Abgeordnete gäbe, die für das alte Gesetz stimmen würden, weil Bonn also keine Truppen hat, muss gehandelt werden. Bonn braucht eine dauerhafte Perspektive. Die kann nicht darin bestehen, immer noch so zu tun, als sei man weiter ein bisschen Bundeshauptstadt. Nicht Türschilder entscheiden über die Zukunft, sondern Innovationen. Die Internationalität dieser Stadt - das hatte der damalige OB Hans Daniels schnell und richtig erkannt - ist eine zentrale Perspektive. Ebenso die Wissenschaftsstadt. Dagegen ist Bonn als Gesundheitsstandort wichtig, aber nicht profiliert und als Landwirtschaftszentrum eher unbekannt.

Wichtiger als die Zahlen ministerieller Arbeitsplätze sind die Arbeitsplätze, die entlang der Zukunftslinien gebaut werden. Da gibt es abseits der Ministerien bereits Tausende qualifizierter Stellen. Sie zu erhalten (und auszubauen), muss das Ziel aller Entwicklungsschritte sein. Und da kann man es drehen und wenden, wie man will: Geht etwa das Bildungsministerium, sind auch "angedockte" Institutionen wie die Humboldt-Stiftung oder Max-Planck-Institute weg.

So, wie es ist, könnte es bleiben, aber das wird es eben nicht. Deshalb muss die Region Berlin nageln: nicht auf ministerielle Zahlen, erste oder zweite Dienstsitze, sondern auf Bonns Zukunft als UN- und Wissenschaftsstadt. Das ist die Bundeshauptstadt der Bundesstadt schuldig.

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