Kommentar Wahl der Auslandstürken - Gründlich missglückt

Die Reform sollte eine Benachteiligung von Millionen Menschen beenden, ist aber gründlich missglückt. Zum ersten Mal dürfen Türken in Deutschland an einer Wahl in ihrem Land teilnehmen. Doch nicht einmal zehn Prozent der rund 2,8 Millionen türkischen Auslandswähler haben sich fristgerecht zur Stimmabgabe für die Präsidentenwahl angemeldet.

Der bürokratische Aufwand für die Anmeldung mag viele abgeschreckt haben. Was als Projekt für mehr demokratische Teilhabe angepriesen wurde, endet als Debakel. Bei der Suche nach den Gründen vermuten Gegner von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan politische Motive.

Die Wähler der Erdogan-Partei AKP seien von den gut organisierten Anhängern des Premiers an die Anmeldung erinnert worden - viele Oppositionswähler in Deutschland aber nicht. So werde Erdogan aus der Bundesrepublik unverhältnismäßig viele Wählerstimmen erhalten.

Allerdings hat Erdogan kein Interesse daran, dass weniger als zehn Prozent der Auslandstürken zur Urne gehen, denn die Türken in Deutschland und Europa sind tendenziell noch konservativer als die Wahlbürger in Anatolien und unterstützen vielfach Erdogans Regierungspartei AKP.

Die übertrieben komplizierte Bürokratie bei der Anmeldung oder Wählerapathie sind als Gründe für das Scheitern der Reform wahrscheinlicher als ein gezieltes politisches Manöver. Vielleicht sollte die Regierung in Ankara die Briefwahl einführen. Sie ist relativ unkompliziert und funktioniert schließlich auch in anderen Ländern.

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