Kommentar Vor den Wahlen in Italien - Taubruch

Erst wenn sich die politische Klasse Italiens zur Erneuerung bekennt, haben Populisten wie Silvio Berlusconi keine Chance mehr. Italien ist politisch ein gespaltenes Land, der demokratische Grundkonsens, wie man ihn etwa aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz kennt, ist seit Jahren verloren gegangen.

Der Grund dafür sind Silvio Berlusconi sowie die Schwäche der Institutionen und ihrer Vertreter. Vier Mal war der 76 Jahre alte Unternehmer aus Mailand in den vergangenen 20 Jahren Ministerpräsident, acht Jahre lang hat er als Regierungschef das Land geprägt, zwölf als Chef der Opposition. Erneut spukt sein Name als Schreckgespenst durch die Regierungszentralen der EU-Länder.

Zuletzt lag das Berlusconi-Bündnis in den Umfragen bei etwa 28 Prozent, seine Bewegung "Volk der Freiheit" (PdL) versammelt rund 20 Prozent der Stimmen hinter sich. Angesichts der zahlreichen Skandale und der Misserfolge in der Regierungsverantwortung ist das immer noch viel. Berlusconi profitiert von mehreren Faktoren.

Zunächst ist da das desaströse Bild, das die italienische Politik insgesamt abgibt. Unter vielen unbefriedigenden Alternativen ist für nicht wenige Wähler immer noch das Bild vom Unternehmerfreund und Kämpfer gegen die Steuerlast attraktiv. Das bekommt vor allem Ministerpräsident Mario Monti zu spüren, der für hohe Steuern verantwortlich gemacht wird und sich mit einigen unbeliebten Uralt-Protagonisten der italienischen Politik verbündet hat.

Berlusconis Versprechungen wie die Abschaffung der verhassten Immobiliensteuer klingen da ebenso verlockend wie unrealistisch. In der Krise denken jedoch viele Menschen zunächst an den eigenen Geldbeutel, die abstrakte Größe des Staatshaushalts und seine Fragilität beeindrucken weniger.

Berlusconis Trumpf jedoch ist sein Gespür für diffuse, weit verbreitete, aber öffentlich nie besonders deutlich artikulierte Gefühle der Italiener. Steuerhinterziehung rechtfertigte Berlusconi einst als Notwehr gegen einen unfähigen und verkrusteten Räuberstaat. Das ist in Italien kein Skandal, sondern ein breiter Konsens, der sich durch alle Bevölkerungsschichten zieht.

Jetzt schlägt er eine Steueramnestie vor. Berlusconi hat den Tabubruch perfektioniert. Jüngst verteidigte er die Zahlung von Schmiergeldern, eine durchaus verbreitete Methode. Transparency International stufte Italien im Dezember auf Platz 72 seiner Rangliste zurück.

Die Chancen, dass Berlusconi in der politischen Bedeutungslosigkeit versinkt, sind deshalb immer noch gering. Erst wenn der Rest der politischen Klasse Italiens einen deutlichen Willen zur Umkehr zeigt und sich dieser Wille zur tatsächlichen Erneuerung in funktionierenden und den Bürgern dienenden Institutionen manifestiert, haben Populisten wie Berlusconi keine Chance mehr.

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