Kommentar zum englischen Fußball Unter Beobachtung

Der englische Fußball hat seinen Reiz. Viel Geld, Gänsehaut-Atmosphäre und eine Liga, in der zurzeit noch sechs Mannschaften um den Titel mitspielen. Langeweile im Meisterschaftskampf ist hier ein Fremdwort.

Was fehlt, sind Typen, Anführer, Strategen. John Terry steht bei Chelsea im Spätherbst seiner Karriere, die Oldies Steven Gerrard und Frank Lampard sind dem Lockruf des Dollar gefolgt und kicken in den USA. Bleiben vielleicht eine Handvoll dieser unverwüstlichen Haudegen wie Yaya Touré, seit Ewigkeiten Galionsfigur bei Manchester City, oder Wayne Rooney, der über Jahre mit der Wucht einer Abrissbirne gegnerische Abwehrmauern aufgestemmt hat, mittlerweile aber den Typ des Elder Statesman im Team von Manchester United verkörpert.

Leidenschaft und Siegermentalität - das sind die Eigenschaften, die auch bei der Verpflichtung von Bastian Schweinsteiger eine Rolle spielten. United-Trainer Louis van Gaal wollte diesen Schlachtenlenker, der Deutschland mit blutigem, zerbeultem Gesicht zum WM-Triumph führte. Bilder des Leidens und des Willens, die mehr im Gedächtnis der Fußball-Welt haften geblieben sind als das Siegtor von Mario Götze.

Eineinhalb Jahre später leidet Schweinsteiger wieder. Die ersten Monate seines Insel-Abenteuers verliefen ernüchternder als gedacht. Die Fans lieben ihn, doch Medien und frühere Clubikonen sind nicht zimperlich mit ihrer Kritik: nicht mehr schnell genug, zu wenig Offensivaktionen, zu viel roter Teppich mit Freundin Ana Ivanovic, zu graue Schläfen, um noch Weltklasse zu verkörpern.

Auch wenn Schweinsteiger weiß, dass die Yellow Press gern ganz tief in der Klischeekiste wühlt: Er steht unter Beobachtung, er muss beweisen, dass seine Verpflichtung nicht irgendwann als Missverständnis in der United-Chronik abgeheftet wird. In Wolfsburg kann sich für Manchester und Schweinsteiger die ganze Saison entscheiden. Eigentlich die perfekte Ausgangsposition für einen wie ihn.

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