UN-Klimagipfel in Durban: Scheinwelten

Die jüngsten Hiobsbotschaften aus der Erdatmosphäre kommen nicht unerwartet. Das "Business as usual" ist unterm Strich weltweit weitergegangen, und Wachstumsprozente wirken nach wie vor wie Glückshormone, obwohl das herkömmliche Wirtschaften mit hohem Energie- und Ressourceneinsatz gerade die globale Erwärmung entfacht hat.

Die jüngsten Hiobsbotschaften aus der Erdatmosphäre kommen nicht unerwartet. Das "Business as usual" ist unterm Strich weltweit weitergegangen, und Wachstumsprozente wirken nach wie vor wie Glückshormone, obwohl das herkömmliche Wirtschaften mit hohem Energie- und Ressourceneinsatz gerade die globale Erwärmung entfacht hat. Überm Strich gibt es einen Run auf Öko-Labels, haben manche Städte einen fleischlosen Ernährungstag ausgerufen und werden hier und dort einige Gramm Kohlendioxid bei Autoflotten eingespart. Und manches Null-Gramm-Kohlendioxid-Elektroauto wurde vermutlich nur deshalb in manche Produktpalette aufgenommen, weil so bei den - leichter verkäuflichen - Modellen weniger Treibhausgas eingespart werden muss. Insgesamt viel Kosmetik und wenig wirklich Zählbares.

Die deutsche Debatte um Atomausstieg, Energiewende und Klimaschutz spiegelt viele Defizite, wobei das größte darin liegt, alles getrennt und leider auch populistisch zu verargumentieren. Alles gleichzeitig: Elektroauto? Find' ich gut! Atomkraft? Nein danke! Klimaschutz? Auf jeden Fall! Das Ganze flankiert von der vermeintlich menschenfreundlichen Forderung nach "bezahlbarer Energie". Aber keiner kann erklären, wie dieses Wunschkonzert verwirklicht werden könnte. Der Grund ist einfach: Weil es so nur in Reden, nicht aber real physikalisch funktioniert. Dennoch stoßen solcherlei Fantasiegemälde kaum auf öffentlichen Widerspruch. So sehr fehlendes vernetztes Denken kritikwürdig ist, so sehr ist es ein Pluspunkt, dass überhaupt darüber diskutiert wird, wenngleich die Eurokrise fast alle Aufmerksamkeit aufsaugt. Weltweit sieht es anders aus, weil naheliegendere Probleme alle Energie verschlingen. Der Kampf gegen Schulden, Naturkatastrophen, Hunger, Wassermangel und - natürlich - die Arbeitslosigkeit. Wenn heute im südafrikanischen Durban der 17. UN-Klimagipfel beginnt, rückt ein Thema aus der Wiedervorlagemappe auf Platz eins, dass seit Jahrzehnten vertagt wird. Dabei ist es, bei Lichte besehen, sowohl ein Existenz- als auch ein Schuldenthema.

Die Umsonst-Deponie für Gasabfälle ist zugemüllt, der Globus erwärmt sich und reagiert mit extremen Wettern, die der Mensch als "Naturkatastrophen" wahrnimmt. Die Menschheit steht erst am Anfang einer Wirkungskette, von der niemand weiß, wo sie endet. Gewiss ist nur, dass die Gasabfall-Rechnung zwischen Meeresspiegelanstieg, Dürren und Überflutungen (mit allen Negativeffekten auf die Nahrungsproduktion) einen Betrag mit vielen Nullen ergeben wird. Es ist die Kehrseite von "bezahlbarer Energie". Wer sie weiter fordert, reklamiert das Aufrecherhalten einer Scheinwelt. Auch Klimagipfel sind Scheinwelten. Nüchtern betrachtet, ist die Lage am Himmel der Politik längst entglitten.

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