Kommentar Überstunden - Zu viel Arbeit

Wer die wirtschaftliche Dimension der Überstunden greifbar machen will, sollte zum Taschenrechner greifen: Denn wenn man von den Angaben der Nürnberger Beschäftigungsforscher ausgeht, dann arbeiteten die deutschen Erwerbstätigen zwischen April und Juni 262 Millionen Stunden ohne Bezahlung.

Legt man der Einfachheit halber den Mindestlohn von 8,50 Euro zu Grunde, ersparten die Erwerbstätigen ihren Arbeitgebern in diesem zweiten Quartal 2,2 Milliarden Euro an Lohnkosten. Das ergibt aufs Jahr hochgerechnet einen Lohnverzicht von knapp neun Milliarden Euro; bei wachsendem Druck, zunehmender Produktivität. Die darf, wie die Erfolgsmeldungen über den neuen Export-Rekord, zwar stolz machen. Doch die Frage, ob die Beschäftigten dies nicht mit rasanten Belastungsstörungen bezahlen, wird immer dringlicher. Der Versuch der Bundesarbeitsministerin, hier mit einem Anti-Burn-Out-Gesetz Abhilfe zu schaffen, ist vor allem eines: ein Ausdruck der Hilflosigkeit. Wer Abhilfe schaffen will, muss anders vorgehen.

Das Arbeitszeitgesetz der EU legt eine Höchstgrenze von 48 Wochenstunden fest, die nur gelegentlich überschritten werden darf. Außerdem muss Mehrarbeit zügig wieder ausgeglichen werden. Eine Traumwelt, die mit der Realität wenig zu tun hat. Das Gegenteil ist der Fall. Der Druck am Arbeitsplatz nimmt zu, Personaldecken werden gestrafft, die Effizienz pro Mitarbeiter angehoben. Der Spitzenplatz bei den Überstunden gehört in die Rubrik der Negativschlagzeilen.

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