Kommentar zu Seehofers Rückzug Überfällig

Meinung | Berlin · Horst Seehofer hat als CSU-Chef einiges erreicht. Zum Beispiel aus einer funktionierenden Koalition heraus eine Partei zur absoluten Mehrheit zu führen. Nur ein überzeugender Abgang will ihm nicht gelingen.

Horst Seehofer war streckenweise ein sehr erfolgreicher CSU-Chef. Aus einer funktionierenden Koalition heraus eine Partei zur absoluten Mehrheit zu führen, das ist wenigen vor ihm gelungen. Und sie dort auf Jahre zu positionieren, noch viel weniger. Doch die Herausforderung, am Ende auch einen überzeugenden Abgang hinzukriegen, scheint er gerade zu verlieren.

Angela Merkel ergriff am Tag nach der Wahl die Initiative und verkündete, nicht erneut für den Parteivorsitz zu kandidieren. Seehofer brauchte vier Wochen länger. Während sie die komplette CDU überraschte und ein Gefühl der hoffnungsvollen Wiedererweckung auslöste, bewirkte er mit seinen Verzögerungen Frust unter den Mitgliedern und Funktionären darüber, dass ihr Chef offensichtlich aus dem Amt getragen werden muss.

Seehofer stichelte vor den CSU-Bezirkschefs zwar laut Teilnehmerangaben, dass Merkel noch merken werde, dass ihr Rückzug vom Parteivorsitz auch zum vorzeitigen Verzicht auf das Regierungsamt führen werde. Doch wieder hatte Merkel längst eine andere Lesart intoniert. Sie sei „bereit“, das Amt der Kanzlerin weiter auszufüllen, was indirekt natürlich die Botschaft enthielt, dass sie sich einer Dynamik nicht versperren wird, wenn die Partei zu einem anderen Schluss kommt.

Seehofer dagegen legte sich fest, dass der Verzicht auf den Posten als Parteichef „in keiner Weise“ seine Arbeit als Bundesinnenminister berühre. Die Motivation dahinter ist erklärlich. In den letzten Monaten hat Seehofer erleben müssen, wie er vom unumstrittenen Parteiführer zunächst zur Nummer zwei hinter Spitzenkandidat Markus Söder zurücktrat und nun wie ein geprügelter Hund vom Hof gejagt zu werden droht. Einer wie er will in Würde und selbstbestimmt gehen und mit Respekt verabschiedet werden.

Allerdings hat er diesen Zeitpunkt als Parteichef längst versäumt und ist nun auf dem besten Weg, auch als Innenminister nicht mehr in Ruhe seine Projekte abarbeiten zu können, sondern als die sprichwörtliche „lahme Ente“ behandelt zu werden. Im kleinen Kreis hat Seehofer Spekulationen wiederholt widersprochen, es gehe ihm in erster Linie darum, im Abgang seine größte Gegnerin Merkel noch mitreißen zu können.

Das hat sich auf der Ebene der Parteichefs durch Merkels forschen Schritt selbst erledigt. Merkel wird lernen, künftig in den Koalitionsrunden auf einen CDU-Parteichef zu hören. Oder sie wird gehen. Seehofer sollte sich keine Illusionen machen, wie es sein wird, künftig nicht nur die Kanzlerin, sondern auch einen CSU-Chef über sich zu haben. Insofern wäre es das glaubwürdigste Dementi persönlicher Rachegefühle, nun alle Koffer zu packen. Sonst werden die Stimmen in der CSU, die auf seinem Abgang als Parteichef bestanden, den Verzicht des Ministeramtes immer lauter einfordern. Und dann war’s das mit Respekt und Würde.

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