Kommentar Türkisch-kurdisches Verhältnis - Erdogans Bremse

Istanbul · Vor mehr als zwei Jahren setzte Recep Tayyip Erdogan in der Türkei die Friedensverhandlungen mit den Kurden in Gang - jetzt erweckt der türkische Präsident den Anschein, als ob er die Gespräche am liebsten wieder abblasen würde.

Erdogans Bremsmanöver zeigt die Scheu des türkischen Staates vor fundamentalen Veränderungen, um das Kurdenproblem zu lösen. Erdogan will keine Einigung, sondern eine bedingungslose Kapitulation der PKK-Rebellen.

Eine Stärkung der lokalen Selbstverwaltung und die Zulassung des Kurdischen als zweite Amtssprache in Südostanatolien würden aus der Türkei ein anderes Land machen. Erdogan aber teilt die alte Furcht der türkischen Nationalisten vor Minderheiten, die einen Zerfall des Staates auslösen könnten. Teil dieser Furcht ist das Misstrauen gegenüber den Forderungen der Kurden.

In jüngster Zeit betont Erdogan immer wieder, die Reformen des letzten Jahrzehnts, mit denen etwa der öffentliche Gebrauch der kurdischen Sprache legalisiert wurde, hätten die Benachteiligung der Kurden bereits beendet. Doch die Kurden wollen mehr, auch wenn sie das Ziel eines eigenen Staates längst aufgegeben haben.

Der türkische Präsident ist äußerst pragmatisch und zu plötzlichen Wendemanövern fähig. Möglicherweise kehrt Erdogan nur wegen der Parlamentswahl am 7. Juni den Nationalisten heraus, um sich anschließend für Kompromisse zu öffnen. Wahrscheinlicher ist aber, dass der Staatschef tatsächlich der Meinung ist, dass substanzielle Zugeständnisse an die Kurden die Existenz der Türkei gefährden würden.

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