Kommentar zu Donald Trump Trauriger Meilenstein

Meinung | Washington · Mehr als 100.000 Menschen sind in den USA wegen des Coronavirus gestorben. Es wäre der Moment, in dem sich der US-Präsident an die Nation wenden müsste, um Trost zu spenden. Doch Donald Trump verhält sich als Kleingeist, kommentiert unser Autor.

 Donald Trump zeigt in der Corona-Krise wenig Empathie.

Donald Trump zeigt in der Corona-Krise wenig Empathie.

Foto: dpa/Alex Brandon

In der Nacht zum Donnerstag haben die Vereinigten Staaten einen traurigen Meilenstein erreicht. Die Zahl der Corona-Toten hat die Marke von 100.000 überschritten, damit sind mehr Amerikaner an den Folgen der Krankheit gestorben als in den Kriegen in Vietnam und Korea. Zugegeben, pro Kopf der Bevölkerung liegt das deutlich unter dem, was Groß­britan­nien oder Italien, Frankreich oder Spanien an Opfern zu beklagen haben.

Doch für ein Land, das sich noch immer als Weltspitzenreiter des technischen, wissenschaftlichen, medizinischen Fortschritts versteht, ist es eine schockierende Zahl. Es wäre der Moment, in dem sich der US-Päsident an die Nation wenden müsste, um Trost zu spenden. 

Donald Trump aber hält keine solche Rede. Bei Twitter, dem Kurznachrichtendienst, mit dem er sich heftig befehdet, seit der ihn bei einem Faktencheck durchfallen ließ, beschuldigt er stattdessen die Medien, im Bunde mit der Opposition eine, so wörtlich, falsche Erzählung zu verbreiten. Man behaupte, er habe zu langsam auf die Epidemie reagiert, empört er sich.

Dabei sei das Gegenteil richtig: Hätte er seinen Job nicht so gut und schnell gemacht, hätte man womöglich schon zwei Millionen Menschenleben verloren. Der Einwurf zeigt einmal mehr, was für ein Kleingeist dieser Präsident ist. An Versäumnissen sind immer die anderen schuld. Zu Mitgefühl scheint er nicht fähig zu sein, sonst hätte er, wie sein Herausforderer Joe Biden es tat, die traurige Wegmarke zum Anlass genommen, um den Angehörigen der Verstorbenen zu signalisieren, dass er ihren Schmerz teilt.

Covid-19 hat das riesige Land auf sehr verschiedene Weise getroffen, die Ballungsgebiete viel härter als den ländlichen Raum, den Nordosten stärker als den Süden. Acht der neun Bundesstaaten mit der höchsten Opferbilanz werden von Gouverneuren der Demokratischen Partei regiert. New York, das Zentrum der Tragödie, ist eine Hochburg der Blauen, der Demokraten. Dünner besiedelte Regionen, in denen die Republikaner dominieren, die Partei mit der Farbe Rot, stehen in aller Regel besser da.

Während das blaue Amerika zur Vorsicht mahnt, ist im roten Amerika schon lange der Ruf nach schnellerer Öffnung laut geworden. Trump hat sich entschlossen, nur noch das gelten zu lassen, was das rote Amerika fordert. Er hat, wie schon so oft, auch diesmal allein seine Anhänger im Blick. Die Vereinigten Staaten von Amerika – unter diesem Präsidenten ist es nicht mehr als ein Ländername.

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