Kommentar Thailand - Gestohlenes Wahlrecht

Eine Woche vor den für 2. Februar geplanten Parlamentswahlen in Thailand sind gestern die letzten politischen Hüllen gefallen. Die oppositionelle Demokratische Partei und die von ihr gelenkte Protestbewegung PDRC raubte kaltblütig etwa einer Million Bürger des Landes das Stimmrechts. Die Wahlberechtigten hatten sich für die lokale Version der Briefwahl entschieden. Wer am Wahltag keine Zeit hat, kann laut Gesetzen eine Woche früher zur Urne gehen.

Entgegen allen Beteuerungen der Regierungsgegner, die Stimmabgabe nicht blockieren zu wollen, setzen sie fast jedes Mittel ein, um den Urnengang zu verhindern. Sie hatten Erfolg, weil die Wahlkommission schon beim kleinsten Anlass die Stimmlokale schloss. Zudem schaute die Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra trotz des Mitte der Woche ausgerufenen Notstands nahezu tatenlos zu und setzte kaum Polizei ein.

Der vorgezogene Urnengang wirkte wie Symbol der Machtlosigkeit der Regierung. Eine alte Allianz aus hohen Beamten, mit den Regierungsgegnern sympathisierenden Richtern, dem traditionell in Bangkok rund um den Königspalast angesiedelten Geldadel und Teilen der einflussreichen Streitkräfte ist fest entschlossen, die 2010 gewählte Regierung zu entmachten.

Sie bemühen sich nicht einmal mehr, den Schein zu wahren. Sie haben den demokratischen Mantel, den das südostasiatische Königreich seit Abschaffung der absoluten Monarchie im Jahr 1932 voller Stolz trägt, in einen schäbigen Flickenteppich verwandelt. Denn die Allianz, die nichts anderes als eine verknöcherte und verwöhnte, in Bangkok beheimatete Elite darstellt, glaubt 80 Jahre nach Einführung der Demokratie immer noch, so schalten und walten zu können, also ob es keinen Wählerwillen gebe.

Denn die Forderung von Protestführer Suthep Thaugsuban und Abhisit Vejjajiva, das angebliche Shinawatra-Regime müsse zurücktreten und ein für alle Mal aus der Politik des Landes verschwinden, ignoriert 15 Millionen Wählerstimmen für die amtierende Premierministerin Yingluck Shinawatra und ihre regierende Phuea Thai Partei.

Seit dem Jahr 2001 haben politische Gruppierungen der Elite inklusive der Demokratischen Partei und der Generäle weder Wahlen gewinnen, noch den Wählerwillen unterdrücken können. Raang Song (Hexer), wie manche Thais Protestführer Suthep getauft haben, will deshalb das politische System zerstören, dessen Verfassung er gemeinsam mit der Demokratischen Partei in den Jahren der Militärherrschaft von 2006 bis 2008 geschrieben hat.

Das Ziel damals wie heute: Die Verfassung sollte verhindern, dass die von den Shinawatras geführte Regierungspartei Phuea Thai Partei (PTP) erneut den Wahlsieg holte.

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