Kommentar zur Studie über illegale Polizeigewalt Noch nicht belastbar

Meinung · Die Studie zu illegaler Polizeigewalt mag heftige Reaktionen auszulösen: Eine Dunkelziffer von jährlich zehntausend illegalen polizeilichen Übergriffen hört sich viel an, aber angesichts von jährlich zig Millionen Polizeieinsätzen bewegen wir uns im Promillebereich, kommentiert Sandro Schmidt.

 Polizisten halten während einer Demonstration ihre Schutzhelme unter dem Arm.

Polizisten halten während einer Demonstration ihre Schutzhelme unter dem Arm.

Foto: dpa/Marius Becker

Die Studie der Bochumer Wissenschaftler zu illegaler Polizeigewalt ist dazu angetan, heftige Reaktionen auszulösen: Bei denjenigen, die schon immer dem Handeln der Staatsmacht misstrauten und Beamte mit Begriffen aus dem Tierreich diffamierten. Sie könnten sich jetzt teilweise bestätigt fühlen.

Und bei denjenigen, die sich nun als Polizisten wieder zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt sehen, obwohl sie Jahre und Jahrzehnte lang trotz aller Beschimpfungen und Attacken nicht immer freundlicher Bürger korrekt und gewissenhaft ihre Schwerstarbeit versahen. Beide Reaktionen sind verständlich, aber nicht zielführend.

Eine Dunkelziffer von jährlich zehntausend illegalen polizeilichen Übergriffen hört sich viel an, aber angesichts von jährlich zig Millionen Polizeieinsätzen bewegen wir uns im Promillebereich. Da haben Gewerkschafter Recht, wenn sie hier kein systematisches Fehlverhalten des Apparats erkennen können. Zudem geht es bei den Zahlen um Verdachtsfälle, nicht um nachgewiesene Verstöße. Und drittens gibt die Studie, die ja nur eine Zwischenbilanz zieht, selbst systematische Schwächen zu. Sie ist nicht repräsentativ und hat wohl vielfach Bürger zu Wort kommen lassen, die sich im Umfeld von Fußballkrawallen oder nicht immer gewaltfreien Demonstrationen wie am Hambacher Forst bewegen. Die Zahlen sind also nicht sehr belastbar.

Andererseits ist natürlich jeder Fall illegaler Polizeigewalt ein Fall zu viel. Gerade in einem Land mit der Geschichte Deutschlands herrscht zu Recht hohe Sensibilität. Den Forschern ist zu danken, dass sie das Thema systematisch untersuchen. Wegen der großen Unschärfe der Ergebnisse kann dies aber nur der Anfang sein.

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