Kommentar Stopp des Rüstungsdeals mit Russland - Gabriels Votum

Genug der Worte: Europa probt den Härtefall. Und Russland soll ihn spüren. Deutschland marschiert dabei vorneweg. Präsident Wladimir Putin hat der EU auch wenig andere Wahl gelassen - nach schwieriger, aber unausweichlicher Entscheidung.

Erst der Bruch des Völkerrechts mit Besetzung und Annexion der Halbinsel Krim durch Russland, dann die demonstrative Einflusslosig- und Gleichgültigkeit gegenüber bestens ausgerüsteten prorussischen Separatisten in der Ostukraine. Putins Muskelspiele.

Europa hat dabei eine Lektion gelernt: Wegen einiger halbherziger, weil verkraftbarer Sanktionen oder gar wegen bloßer Symbolpolitik öffnet der russische Präsident kein einziges Fenster im Kreml. Und davon gibt es viele. Doch die Bundesregierung setzt jetzt ein Ausrufezeichen in der Zusammenarbeit mit Russland und greift zu einem seltenen Mittel: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zieht die bereits erteilte Genehmigung für ein 100-Millionen-Euro-Geschäft der deutschen Waffenschmiede Rheinmetall mit Moskau wieder zurück - selbstverständlich nach Absprache mit dem Bundeskanzleramt.

Erst legte Gabriel den Deal auf Eis. Jetzt, da Russland keinen erkennbaren und vor allem möglichen Beitrag leistet, die Eskalation der Ukraine-Krise zu stoppen, wird die Lieferung eines Gefechtsübungszentrums für die russische Armee ganz angehalten. Das ist in diesem Fall nur konsequent. Es ist Gabriels Votum mit Zustimmung von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Deutschland geht damit deutlich über den EU-Sanktionsrahmen hinaus, nach dem bereits vereinbarte Geschäfte von dem Strafkatalog nicht erfasst sind. Nicht alle EU-Partner handeln so konsequent. Frankreich will sich ein Milliarden-Geschäft mit der Lieferung zweier Schiffe der "Mistral"-Klasse nicht kaputtmachen lassen. Dabei sind im Sanktionsstreit zwei Kategorien von Moral gut zu beobachten. Die eine will Menschenleben schützen, die andere Jobs. Das ist hart, gehört aber zur Wahrheit mit Russland.

Rheinmetall wiederum muss nun seinen Weg suchen, sich den Verlust aus dem bereits genehmigten Rüstungsgeschäft ausgleichen zu lassen. Eine Hermes-Kreditbürgschaft kommt hier nicht zum Tragen. Denn eine solche Ausfall-Versicherung hat der Rüstungskonzern erst gar nicht beantragt. Eine Klage auf Schadenersatz wäre eine Möglichkeit, doch Rheinmetall muss wissen: Es wird auch für einen nächsten und übernächsten Deal eine Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz oder nach dem Außenwirtschaftsgesetz brauchen. Dann wäre wieder Berlin am Zug.

Wie so oft in Sanktionsstreitereien, gibt es auch hier fast nur Verlierer. Aber im Namen der eigenen Glaubwürdigkeit muss Deutschland Putin die Stirn zeigen. Nur diese Sprache versteht er wirklich.

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