Kommentar zur Organspende Sternstunde des Bundestags

Meinung | Berlin · Bei der Organspende ist der Bundestag nach einer langen klugen Debatte zu einer ausgewogenen Entscheidung gekommen. Warum kann Politik eigentlich nicht immer so sein? Ein Kommentar.

 Ein Organspendeausweis.

Ein Organspendeausweis.

Foto: dpa-tmn/Andrea Warnecke

Die Lösung ist richtig, wonach ein Mensch oder dessen Angehörige weiterhin zugestimmt haben müssen, bevor die Organe eines Verstorbenen entnommen werden können. Zugleich enthält der Gesetzentwurf mit einer verbindlichen Ansprache der Bürger und einem Spende-Register zahlreiche Neuerungen, durch die die Zahl der Organspenden in Deutschland steigen kann.

Es steht außer Frage, dass die Zahl der Organspenden in Deutschland viel zu niedrig ist. So war das Ziel der konkurrierenden Gesetzentwürfe, die am Donnerstag zur Abstimmung standen auch das gleiche: Alle wollen mehr Spenden erreichen. Umstritten war nur der Weg dorthin.

Auch ohne jeden Bürger, der nicht widerspricht, automatisch zum Organspender zu erklären, stehen die Chancen gut, dass ab dem Jahr 2020 in Deutschland die Zahl der Organspenden deutlich nach oben gehen. Bereits im vergangenen April ist ein Gesetz in Kraft getreten, das die Organisation der Organentnahme in den Kliniken professionalisiert. Entscheidende Teile dieses Gesetzes werden aber erst in diesem Jahr wirksam. Die Organisation in den Kliniken sowie die Finanzierung von Entnahme und Transport waren bisher die entscheidende Schwachstelle.

Auch die Debatte selbst wird zu einer positiveren Einstellung der Bürger zur Organspende beigetragen haben. Die vielen Schicksalsberichte über Menschen, die dringend auf ein Organ warten, und die Präsenz des Themas dürften die Bereitschaft zur Organspende noch einmal gesteigert haben. Ganz sicher hat die breite Diskussion in der Öffentlichkeit dazu geführt, dass sich viel mehr Menschen mit der Frage auseinandergesetzt haben, ob sie bereit sind, nach dem Tod als Akt der Nächstenliebe ihre Organe einem anderen Menschen zu überlassen, der damit noch Jahrzehnte überleben kann.

Zur Widerspruchslösung muss nicht das letzte Wort gesprochen sein. Sollte die Zahl der Organspenden in den kommenden zwei Jahren nicht spürbar nach oben gehen, muss das Thema noch einmal auf den Tisch. Tausende Leben hängen davon ab.

Der Bundestag müsste aber keine Scheu haben, die Debatte erneut zu eröffnen. Was die Abgeordneten am Donnerstag geboten haben, darf als Sternstunde des Parlaments bezeichnet werden: Die Reden lagen auf hohem Niveau, man hat sich gegenseitig zugehört und auf Polemik verzichtet. Dennoch waren die Positionen glasklar zu erkennen. Man kann sich nur wünschen, dass von diesem Geist auch etwas in andere Debatten einkehrt.

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