Kommentar Steinbrücks Mittelfinger - Das war's

BONN · Der erste Reflex ist nicht immer der richtige. "Habt Euch nicht so!", möchte man denen zurufen, die sich über Peer Steinbrücks Stinkefinger-Geste aufregen.

Denn schließlich hat der SPD-Spitzenkandidat mit diesem Fingerzeig nicht seine Wähler beleidigen wollen, sondern nur seinem Ärger über die vielen Kritiker in den Medien Luft gemacht. Nach dem Motto: Wer einsteckt, darf auch austeilen. Das ist verständlich gedacht, aber dennoch falsch.

Der zweite Reflex: Dieser Mann schafft es, die Leute auch noch aufzuregen, wenn er nichts sagt. Das ist fürwahr eine Leistung und es ist Steinbrück pur. Klartext ohne Worte. Er macht einfach, was er will, was seinem Verständnis von Humor entspricht. Genau das aber geht im Wahlkampf nicht auf. Nicht, weil sich ein Vizekanzler aufregt, derselbe Vizekanzler, der Angela Merkel mit einem Frosch verglich, den man im heißen Wasser umkommen lässt.

Dennoch: Es geht nicht darum, wie Steinbrück es gemeint hat, sondern wie es ankommt. Aber das will er nicht verstehen. Zumal es ja unterschiedlich ankommt. Generationenspezifisch. Die Älteren sagen: Das geht nicht. Die Jüngeren finden die Geste gut, so wie sie Sigmar Gabriels Lob ("coole Sau") gut fanden. Steinbrück aber wollte Kanzler werden. Damit auch ein Stück Vorbild. Allein schon deshalb verbietet sich eine solche Proll-Geste. Mehr noch: Sie zeigt, dass er die notwendige Disziplin für das politisch wichtigste Amt in diesem Land nicht aufbringen will. Und deshalb hat er sich gestern faktisch von seinen Ambitionen verabschiedet.

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