Kommentar Schlappe Nummer vier

Bonn · Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs wirft die Frage auf, wie in Nordrhein-Westfalen eigentlich regiert wird. In einer Anhörung im Landtag erhoben 20 der 21 Experten verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Nullrunden für höhere Beamte.

Die Landesregierung aber setzte sich darüber hinweg, brachte ein entsprechendes Gesetz in den Landtag ein, und die Fraktionen von SPD und Grünen stimmten zu. Klar, dass die Opposition sich gute Chancen ausrechnen konnte, vor dem höchsten NRW-Gericht Recht zu bekommen. Und das nicht zum ersten Mal.

Seitdem die Regierung Kraft/Löhrmann vor vier Jahren ins Amt gekommen ist, musste sie in jedem Jahr eine Schlappe in Münster hinnehmen. 2011 kippten die Richter den Nachtragsetat für das Jahr zuvor, 2012 rügten sie Rot-Grün wegen der verspäteten Einbringung des Etatentwurfs, 2013 stellten sie fest, dass der Haushalt 2011 nicht verfassungskonform war, und jetzt ist es die Anpassung der Besoldung, die auf Kritik der Richter stieß. Wer so oft gegen die Landesverfassung verstößt, macht sich angreifbar, dessen Politik ist - jedenfalls im Bereich des Haushalts- und Finanzrechts - offenbar wenig seriös.

Finanzminister Norbert Walter-Borjans macht es sich zu einfach, wenn er erklärt, die Landesregierung würde sich nun intensiv mit den gerichtlichen Vorgaben befassen und das Gesetz zeitnah anpassen. Er muss ja nicht gleich zurücktreten, aber die politische Verantwortung für diese Niederlagen-Serie zu übernehmen, wäre sicher angebracht gewesen.

In der Sache hat Walter-Borjans einen Weg gesucht, wie der politische Anspruch von Rot-Grün, dass starke Schultern mehr tragen sollen als schwache, auch auf den Bereich der Landesbeamten umgesetzt und wie mehr Einsparpotenzial im Haushalt ausfindig gemacht werden kann. Wer den Rat der Experten allerdings so in den Wind schlägt, muss sich nicht wundern, wenn er zurückgepfiffen wird - auch wenn die Ziele ehrenwert sind.

Nun muss der Finanzminister andere Wege zur Haushaltskonsolidierung suchen. Dass er gestern Abend eine Haushaltssperre verhängte, zeigt, wie dramatisch die Lage derzeit ist. Nur für das Allernötigste darf das Land nun noch Geld ausgeben. Dass er gemeinsam mit den Gewerkschaften eine faire und verfassungskonforme Lösung erarbeiten will, ist erst einmal ein gutes Zeichen für die Landesbediensteten.

Doch mehr denn je steht die Frage im Raum, wie viel Personal sich NRW überhaupt noch leisten kann. Im Vergleich zu den Ausgaben für die einzelnen Politikbereiche sind die Personalkosten bisher schon stärker gestiegen. Außerdem wird das Land immer mehr Geld benötigen, um die Pensionen für die ausgeschiedenen Beamten zahlen zu können. Denn für sie wurde in früheren Jahrzehnten viel zu wenig Geld zurückgelegt.

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