Joachim Löw Rasanter Prototyp

Manchmal überkommt es Joachim Löw. In solchen Momenten, wie vor dem Spiel gegen Polen, lässt er das Fußballvolk via Medien an seinen Visionen teilhaben.

Er verwendet dann gerne Begriffe wie "Handlungsschnelligkeit" oder "Wahrnehmungsschnelligkeit" oder auch "Orientierungsschnelligkeit". Und fragt sich: "Wo soll unser Team 2018 stehen?" Und: "Was wird es dann für einen Fußball spielen?"

Der Bundestrainer ist keiner, dessen Fußball-Welt sich nur um das Hier und Jetzt dreht. Er meint, dass die Systeme ausgereizt sind. Also sucht er nach Lösungen. Der Begriff der Schnelligkeit scheint ihm dabei hilfreich zu sein. Viele seiner Spieler wie Özil, aber auch der weniger geschmeidige Müller vereinen all diese Arten der Schnelligkeit. Vor allem aber in Mario Götze erkennt er den Prototypen eines offensiv orientierten Nationalspielers.

Gerade aber ist die gegen Polen wiederentdeckte Schnellkraft des Weltmeisters etwas ausgebremst worden. Der ehemalige Nationaltorwart und heutige TV-Experte Jens Lehmann beklagte die fehlende Geschwindigkeit bei der deutschen Elf. Er monierte die Rückwärtsbewegung, weil "wir keine schnellen Spieler mehr haben". Rumms. Joachim Löw registrierte das zwar, reagierte aber nicht. Wie so häufig, wenn Abweichler Ansatz zur Kritik finden.

Ganz von der Hand zu weisen ist die indes nicht. Vielleicht bezog sich Lehmanns Tadel ja nicht einmal auf Kapitän Schweinsteiger, bei dem nach Jahren des Kampfes Verschleißerscheinungen nicht verwunderlich sind. Wahrscheinlicher ist, dass ihm die ungewollte Offenheit über Außen gegen konterstarke Polen ein Dorn im Auge war.

Löw war ins Risiko gegangen. Seine Außenverteidiger erzeugten immensen Druck. Heraus kam: ein rasanter und couragierter, leidenschaftlicher und inspirierter Auftritt. Ein solcher, wie man ihn zuletzt bei der WM in Brasilien gesehen hatte. Nur: In der Rückwärtsbewegung gab es Probleme - mit dem Tempo.

Was hätte Löw aber auch machen sollen? Das Ergebnis italienisch souverän über die Runden schaukeln? Nein, das wollte er nicht. Zumal er mit dem Auftritt gegen Polen die Lichter wieder anknipsen wollte nach einem eher düsteren Jahr. Löw hat seine Idee vom (offensiven) Spiel, er hat die Spieler dafür. Hat Haltung gezeigt, seine Vorstellung durchgezogen. Er hat Visionen, die sich vor allem auf eines beziehen: die WM 2018.

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