Kommentar Politischer Streit in den USA - Schmierentheater

Am letzten Tag vor den Ferien stürmen die Kinder aus der Schule, winken mit den Zeugnissen und freuen sich auf lehrerlose Wochen. In der Politik, der amerikanischen jedenfalls, ist das anders.

Am letzten Tag vor den Parlamentsferien haben die nicht selten zu kindischem Verhalten neigenden Republikaner im Kongress eine Stinkbombe gezündet, deren übler Geruch sich noch Monate halten wird. Im Repräsentantenhaus haben die Konservativen den Weg frei gemacht, um Präsident Barack Obama vor den Kadi zu ziehen. Die Anklage lautet: imperiales Gehabe.

Weil Obama immer öfter die Patt-Situation zwischen Demokraten und Republikanern im Parlament mit präsidialen Verordnungen umgeht, um den Stillstand in Washington aufzubrechen, werfen ihm die Republikaner vor, sich an der Verfassung zu versündigen. Ein Gerichtsverfahren soll nun klären, ob Obamas Regierungspraxis an "Tyrannei" grenzt, wie etliche Konservative allen Ernstes behaupten. Oder ob es sehr wohl in seiner Macht stand, Einzelteile der verhassten Gesundheitsreform zu verändern. Oder den Mindestlohn für Arbeiter bei Firmen anzuheben, die Aufträge des Bundes erfüllen. Oder die Umweltschutzbehörde Epa zu ermächtigen, strengere Abgasnormen für Kohlekraftwerke zu verhängen.

Tatsache ist: Obama hielt sich beim Gebrauch der sogenannten "Executive Orders" im Vergleich zu seinen Vorgängern deutlich zurück. 180 "Obama-Gesetze" stehen 291 von George W. Bush und 381 von Ronald Reagan gegenüber. Beide kamen von der republikanischen Partei.

Für den vergifteten Betrieb in Washington würde das absehbar teure juristische Geplänkel, das sich über Jahre hinziehen könnte, einen neuen Tiefpunkt bedeuten. Der amtierende Kongress ist der unproduktivste in der amerikanischen Geschichte. Polemik ersetzt hier Politik. Im Ansehen der Bürger kommen die Abgeordneten in Umfragen kurz vor Drogendealern und Autodieben. Aber anstatt endlich für die breit gesäten Probleme des Landes gute Kompromisse zu finden, wird ein Schmierentheater inszeniert, um das apathisch gewordene Wahlvolk vor den Halbzeit-Abstimmungen im November aufzurütteln und nebenbei die Wahlkampfkassen aufzufüllen.

Das funktioniert in beiden Parteilagern, weil die Obama-Gegner sich sogar nicht scheuen, mit der ultima ratio der politischen Auseinandersetzung zu spielen: Impeachment - die Amtsenthebung des Präsidenten. Grotesk. Beide Seiten wissen: Dazu wird es nicht kommen. Ein Rauswurf des obersten Staats-Repräsentanten ist in der Bevölkerung herzlich unpopulär. Wer sich daran versucht, trägt bleibende Schäden davon. Die Republikaner reiten ein totes Pferd. Ein gefährliches Spiel. Prozesshansel, die am Ende doch wieder nichts gewinnen, will niemand.

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