Kommentar PKK-Abzug aus der Türkei - Stunde der Wahrheit
Mit dem Beginn des PKK-Abzuges aus der Türkei rückt die Stunde der Wahrheit im türkisch-kurdischen Friedensprozess näher. Beide Seiten sind bisher mit Zeichen des guten Willens ans Werk gegangen - seit Monaten gibt es im Kurdengebiet keine Gefechte mehr.
Doch nun muss der Schritt von der Gewalt-Pause hin zum Frieden folgen, und das wird schwierig. Für türkische Nationalisten ist jedes politische Zugeständnis an die Kurden gleichbedeutend mit Landesverrat, kurdischen Nationalisten ist fast jede denkbare Reform zu wenig. Die Regierung Erdogan muss hier einen Mittelweg finden und auch über ihren eigenen Schatten springen, wenn sie Erfolg haben will.
Die Kurden verlangen verfassungsrechtlich verankerte Garantien ihrer kulturellen Rechte als eigenes Volk innerhalb des türkischen Staatsverbandes. Aus westeuropäischer Sicht hört sich diese Forderung recht harmlos an, schließlich war die PKK usprünglich mit dem Ziel eines eigenen Kurdenstaates angetreten. In der Türkei ist eine Anerkennung von Minderheiten mit den dazugehörigen Rechten allerdings ein schwieriges Thema. Dinge wie Kurdisch-Unterricht in den Grundschulen oder die Verwendung des Kurdischen in Lokalverwaltungen sind in der türkischen Staatsideologie nicht vorgesehen.
Als Preis für die Lösung des Kurdenkonflikts muss die türkische Republik nun ein neues Selbstverständnis finden. Im Zentrum stehen dabei die Allparteiengespräche über eine neue Verfassung, die bis zum 1. Juli abgeschlossen sein sollen. Sollte es bis dahin keinen Durchbruch geben, sind die Friedenshoffnungen gefährdet.