Kommentar Paket Nummer drei

Große Koalition heißt große Mehrheit. 80 Prozent sind eine Hausnummer. Doch in diesem Fall müssen die Partei- und Fraktionschefs von CDU, CSU und SPD, vor allem aber Bundeskanzlerin Angela Merkel, zur Kenntnis nehmen: Ihre große Mehrheit wird kleiner.

Sie müssen zusehen, wie die Zahl derer, die mit Merkels Kurs in der Griechenland-Rettung nicht einverstanden sind und ihn für falsch halten, wächst. Und sie müssen sich fragen, was das bedeutet, wenn es zu einem vierten Rettungspaket zu Griechenland kommen sollte. Das kommt nicht?

Niemand kann sich da sicher sein. Nach dem ersten Rettungspaket hieß es, ein zweites werde nicht nötig sein. Und es kam doch. Beim zweiten Hilfspaket im Sommer 2012 hieß es, ein drittes stehe nicht zur Debatte. Jetzt steht es zur Debatte - allen anderen Beteuerungen gerade von Unionsfraktionschef Volker Kauder zum Trotz, der Merkels Mehrheit innerhalb von CDU und CSU nun erneut so groß wie möglich und die Zahl der Abweichler so klein wie möglich machen soll.

Niemand jubelt über dieses dritte Hilfspaket für Griechenland, das wohl unweigerlich kommen wird, wenn auch der Bundestag heute den Weg für die Aufnahme neuer Verhandlungen über das nächste Kapitel in diesem griechischen Drama frei macht. Doch vor allem unter den 311 Abgeordneten der Unionsfraktion wird die Zahl von 29 Nein-Sagern, die Ende Februar schon einer Verlängerung des zweiten Hilfspaketes um vier Monate nicht zustimmen wollten, sprunghaft ansteigen.

Der Kanzlerin bricht damit nicht die Hausmacht weg, aber es ist ein Dämpfer, egal wie die Unionsspitze nachher diese kleiner gewordene Mehrheit als immer noch souverän genug verkaufen wird. Denn: Man kann das eigene Blatt auch überreizen.

Für den Koalitionspartner SPD ist es da vergleichsweise komfortabel. Die SPD stellt nicht den Kanzler, sie darf den Plan von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eines Grexits auf Zeit kritisieren, von dem SPD-Chef Sigmar Gabriel - kurios - irgendwie nichts wusste, irgendwie aber doch. Zickzack ist eben auch ein Kurs, wenn Gabriel mal schnell die eigene Basis mit einem erzwungenen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung überrumpelt.

Gabriel hat gemessen am eigenen Ergebnis bei der Bundestagswahl (25,7 Prozent) in den Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU viel für die SPD heraus geholt. Doch nun sind Projekte wie gesetzlicher Mindestlohn oder Rente mit 63 längst Gesetz. Merkel hat der SPD deren Erfolge in einer frühen Phase der Legislaturperiode beinahe gerne gelassen.

Jetzt muss Gabriel neu punkten. Im Herbst soll ein Gesetz kommen, das die Ausbeutung meist ausländischer Arbeiter durch Werkverträge unterbinden soll. So treibt diese Koalition ihrer zweiten Halbzeit und dem dritten Griechenland-Rettungspaket entgegen, das die Grünen wohl in großen Teilen unterstützen und die Linken wegen der drastischen Reformauflagen ablehnen werden, obwohl die linke Schwesterpartei Syriza in Athen regiert. Mehrheit ist Mehrheit, das schon. Aber Merkel, Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer wissen auch, dass es in einer Koalition auch um Existenzen geht. Die Abgeordneten wollen wiedergewählt werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Bernd Eyermann
zum Wechsel im Amt
Nicht alles gut
Kommentar zum Wechsel im Amt des DatenschutzbeauftragtenNicht alles gut
Am Bedarf vorbei
Kommentar zum Ärztemangel Am Bedarf vorbei
Zum Thema
Die Demokraten zeigen Zähne
Kommentar zur Situation der AfD Die Demokraten zeigen Zähne
Aus dem Ressort