Kommentar Olympia 2012 - Gold für London

Vergessen wir, was vor den Olympischen Spielen in London alles gesagt und geschrieben wurde. Über das zu erwartende Verkehrschaos, die erdrückende militärische Präsenz im Namen der Sicherheit oder die wenig ausgeprägte Begeisterung der britischen Bevölkerung über das Großereignis.

Die Welt hat fantastische Spiele erlebt mit großartiger Atmosphäre, vorbildlicher Gastfreundlichkeit, einem enthusiastischen Publikum und herausragenden sportlichen Leistungen, die sich in einer Reihe von Rekorden und Spitzenleistungen niederschlugen. Die Verbreitung in Fernsehen und Internet hat nie da gewesene Werte erreicht.

Von Eröffnungsfeier bis Schlussfeier waren die Spiele in und abseits der Wettkampfstätten ein Erfolg auf der ganzen Linie. Und was das Wichtigste ist: Die Welt hat ein friedliches Olympia erlebt. Wertung: Gold für London als Organisator und Gastgeber.

In Deutschland wird man noch etwas länger brauchen, bis man das Abschneiden der deutschen Mannschaft analysiert und die Schlüsse daraus gezogen hat. Mit 44 Medaillen hat das Team des Deutschen Olympischen Sportbundes das Ergebnis von 2008 in Peking übertroffen. Gleichwohl ist es in der Medaillenwertung vom fünften auf den sechsten Platz abgerutscht, weil es diesmal statt 16 nur elf Mal Gold gab.

Aber was heißt "nur". Im Sport ist nichts planbar. Leistungen sind nicht wie bei einer Maschine auf Knopfdruck abrufbar. Mit etwas Glück hätte die eine oder andere Silbermedaille auch vergoldet werden können. Und wenn man genau hinschaut, erkennt man, dass bis auf Großbritannien alle führenden Nationen im Vergleich zu Peking im Medaillenspiegel verloren haben. Der internationale Konkurrenzkampf ist härter geworden. Dennoch müssen die Defizite erkannt und aufgearbeitet werden, beispielsweise im Schwimmen.

Unter dem Strich war es ein nicht überragendes, aber durchaus achtbares Ergebnis der Olympiamannschaft. Der DOSB hat es gleichwohl geschafft, es in einem ganz schlechten Licht erscheinen zu lassen. Die Diskussion um die geheim gehaltenen und dann veröffentlichten sogenannten Zielvereinbarungen war ein Kommunikations-Desaster. Was sollte dieses Versteckspiel? Man wollte keinen unnötigen Druck ausüben, sagte DOSB-Präsident Thomas Bach.

Kaum vorstellbar, dass sich ein einzelner Athlet, der sich das ganze Jahr über der Konkurrenz stellt, durch Zahlen, die ohnehin nur ein maximal mögliches Potenzial ausloten und zudem den Stand von vor fast fünf Jahren darstellen, unter Druck setzen lässt. In Zukunft sollte der DOSB auf allen Ebenen Transparenz herstellen. Die Steuer zahlende Öffentlichkeit muss wissen, wie der deutsche Spitzensport seine Ziele definiert und ihre Verwirklichung steuert, sonst verliert er an Glaubwürdigkeit und sägt an dem Ast, auf dem er sitzt.

In den Strukturen des Sports in Deutschland zeichnen sich Veränderungen ab, um auf Dauer international mithalten zu können. Die Stichworte sind mehr Zentralisierung, härterer interner Konkurrenzkampf und stärkere Talentförderung. Auch die Diskussion um die Eliteschulen des Sports wird dabei eine neue Dynamik erfahren. Zu hoffen ist auch, dass die Politik endlich den Schulsport ganz oben auf die Agenda setzt und die Vereine stärker unterstützt. Dort wird die Basis gelegt. Nicht nur für den Spitzensport, sondern für ein gesünderes Deutschland.

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