Kommentar Nach dem Unglück in der Türkei - Das System Erdogan

Nach der Katastrophe von Soma zeigt sich einmal mehr, in welchem Maß Regierungschef Recep Tayyip Erdogan in der Türkei nach Belieben schalten und walten kann.

Das System Erdogan basiert zum Teil auf Angst - Angst vor der Regierung, vor der Polizei, vor Erdogan persönlich. Wichtig für dieses System ist auch das enge Geflecht aus Beziehungen und Loyalitäten zwischen Regierungspartei, politischen Ämtern und Bürokratie.

Der Erdogan-Partei AKP gehörte mehr als jeder zehnte Türke an. Die größte Oppositionspartei kommt nicht einmal auf eine Million Mitglieder. Viele tausend Beamte in der Türkei verdanken ihre Karrieren und Posten der AKP oder dem Ministerpräsidenten persönlich.

Filz? Aus westeuropäischer Sicht vielleicht. In der Türkei gehört diese Art von Einflussnahme zur Tradition, nur waren die meisten Regierungschefs vor Erdogan nicht lange genug im Amt, um ebenso weit verzweigte Netze aufzubauen.

Was den Blick auf einen weiteren Bestandteil des Systems lenkt: Die Unfähigkeit der Opposition, Erdogan trotz Gezi-Protesten und Korruptionsaffäre ins Wanken zu bringen, spricht für sich.

Dennoch hat er in Soma einen Fehler gemacht. Die Opfer des Grubenunglücks sind typische AKP-Wähler aus der unteren Mittelschicht. Sein verunglückter Auftritt in der Bergarbeiterstadt könnte ihn Sympathien bei Stammwählern kosten. Die Frage ist nun, ob sich dies bei der Präsidentenwahl im August negativ für ihn auswirken wird. Das System Erdogan wird alles daran setzen, das zu verhindern.

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