Kommentar Militärparade in China: Falsches Signal

Peking · Selbstverständlich ist es Chinas gutes Recht, Japans Kapitulation vor 70 Jahren zu gedenken. Mit offiziell über 35 Millionen Toten hatten die Chinesen zahlenmäßig wahrscheinlich die meisten Opfer im Zweiten Weltkrieg zu beklagen.

Unvergessen bleibt für die meisten Chinesen das Massaker von Nanjing. Japanische Soldaten besetzten Chinas damalige Hauptstadt, vergewaltigten über 20.000 Frauen und brachten zwischen 200.000 und 300.000 Menschen um.

Zu Recht kritisiert die Volksrepublik, dass dieses schwere Verbrechen in der Weltgeschichte bis heute wenig Beachtung findet. Und ebenfalls zu Recht wettert die chinesische Führung gegen ein Japan, dessen ultrarechter Premierminister es nicht schafft, als Vertreter seines Landes eine klare Entschuldigung für die Kriegsverbrechen von damals über die Lippen zu bringen. Und doch ist die Militärparade, die Chinas Führung gestern zum 70. Jahrestag in der Innenstadt von Peking abgehalten hat, das völlig falsche Signal.

China werde niemals jemandem die Tragödien zufügen, die es selbst erlitten hat, verspricht Staats- und Parteichef Xi Jinping in seiner Auftaktrede zu Beginn der Parade. Sein Land werde auch nie eine Hegemonie anstreben. Die Parade bezeichnet er als "ein Zeichen des Friedens". Dieses Ansinnen klingt löblich.

Doch ausgerechnet auf jenem prominenten Platz, an dem die chinesische Führung vor 26 Jahren die Demokratiebewegung blutig niederschlug, lässt Staatschef Xi im Anschluss an seine Friedensrede dicke Panzer auffahren und noch größere Interkontinental-Raketen, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden und fast jeden Punkt der Welt treffen können. Das ist nicht nur taktlos gegenüber der eigenen Bevölkerung, sondern wirkt auch auf Chinas Nachbarstaaten nicht gerade vertrauenserweckend.

Stattdessen erhärtet sich der Verdacht, dass China mit dieser martialischen Waffenschau vor allem gegenüber den Anrainerstaaten des Süd- und Ostchinesischen Meeres seine militärische Stärke demonstrieren will.

Seit Jahren liefert sich Peking heftige Auseinandersetzungen mit Japan, Vietnam und den Philippinen um unbewohnte Inseln. Das Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkriegs zu instrumentalisieren und mit einer Waffenschau zugleich Großmachtansprüche zu erheben, ist nicht nur plump, sondern auch schamlos.

Mit der Heroisierung der Kommunisten als die wahren Helden des Krieges betreibt die chinesische Führung zudem massive Geschichtsklitterung. Es ist historisch erwiesen, dass nicht die Volksbefreiungsarmee entscheidend dazu beigetragen hat, die japanischen Besetzer in die Flucht zu schlagen. Gekämpft haben vor allem die später im Bürgerkrieg nach Taiwan vertriebenen Truppen der Kuomintang.

Eine Aufarbeitung der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs, wie es sie in Deutschland und Europa in den vergangenen Jahrzehnten intensiv gegeben hat, ist in Ostasien angesichts der aktuellen Territorialstreitigkeiten dringender denn je. Damit sich Aggressionen, wie sie von Japan während des Zweiten Weltkriegs begangen wurden, auch wirklich nicht wiederholen - auch nicht von einem Aggressor namens China.

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