Kommentar Lage in der Ukraine: Totes Abkommen

Moskau · Es werde kein Minsk-III geben, versicherte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko unlängst. Es gäbe ja schließlich die Minsk-II-Vereinbarungen. "Das Einzige, was man tun muss, damit es in der Ukraine Frieden gibt, ist, sie zu erfüllen."

Was aber tut Poroschenkos Staatsmacht, um sie zu erfüllen? Gestern eröffnete sie im Frontgebiet bei Sajzewo ein "Logistikzentrum", mit einer mobilen Bank, einer Apotheke und mehreren Warenständen. Bürger aus den Rebellengebieten sollen sich hier mit Lebensmitteln versorgen, Pensionäre ihre Renten abholen. Die ukrainischen Beamten verkünden stolz, man benötige nur einen ukrainischen Pass, um dorthin zu gelangen. Bleibt abzuwarten, wer im Donbass die oft teure, stundenlange und durchaus gefährliche Anfahrt ins Niemandsland auf sich nehmen wird.

Im Minsker Abkommen hatte die Ukraine sich verpflichtet, die sozialwirtschaftlichen Verbindungen zu den Separatistengebieten inklusive Bankverkehr und Rentenzahlungen wiederherzustellen. Tatsächlich arbeitet dort keine einzige ukrainische Bankfiliale, Kiew hat alle Lkw-Transporte ins Rebellengebiet, auch den Busverkehr, verboten, das Reisen durch schikanös langsame Straßenkontrollen zusätzlich erschwert. Kein Wunder, dass Donezker und Lugansker Einwohner eine ukrainische "Blockade" beklagen. Und das Logistikzentrum bei Sajzewo scheint nur beweisen, wie sehr auch ukrainische Bürokraten zu Lösungen neigen, die ihre angeblichen Ziele nur parodieren. Als hätten sie die Leute im Donbass längst als "tote Seelen" abgeschrieben, ganz im Sinne des russisch-ukrainischen Satireschriftstellers Nikolai Gogol.

Auch die ins Minsk zugesagte Verfassungsreform zur Föderalisierung des Landes klemmt. Poroschenko möchte diese von Russland geforderte Föderalisierung unbedingt vermeiden, plant lieber eine Volksabstimmung über eine "Dezentralisierung". Poroschenko verzögert, trickst und bockt, erst gestern verkündete er wieder offen, den im Minsker Abkommen vorgesehenen Sonderstatus für das Donbass werde es nie geben...

Es scheint, als hätte sich auch die Kiewer Elite bestens in dem Krieg eingerichtet, den Russland angefangen hat. Es gibt Milliardenkredite des Westens, es fließen Milliarden Griwnja Richtung Front, durch sehr löchrige Kanäle, und es gibt keinerlei politische Konkurrenz, die dem Regime gefährlich werden könnte.

Das System Poroschenko ist keineswegs faschistisch, aber weiter erzkorrupt. Und es profitiert davon, dass auch die Gegenseite auf Minsk II herumtrampelt, die Rebellen im Donbass den russischen Rubel einführen wollen und alle paar Wochen die ukrainische Front mit lokalen Angriffen prüfen. Der Konflikt im Donbass ist keineswegs eingefroren, aber sein Ende nicht abzusehen. Bleibt nur abzuwarten, wann Europa den Mut aufbringt, Minsk II für gescheitert zu erklären.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Leerstand ist keine Option
Kommentar zu den Problemen der Vermieter Leerstand ist keine Option
Nicht alles gut
Kommentar zum Wechsel im Amt des Datenschutzbeauftragten Nicht alles gut
Zum Thema
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in Deutschland Ende der Naivität
Erfolg bemisst sich an Taten
Kommentar zur Bonner Klimaplan-Bilanz Erfolg bemisst sich an Taten
Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Kommentar zu den Folgen der Cannabis-Legalisierung Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Aus dem Ressort