Kommentar Krankenbescheinung vom Arzt - Realitätsfremd

Auf den ersten Blick ist es ein arbeitgeberfreundliches Urteil, das die Erfurter Bundesarbeitsrichter am Mittwoch sprachen. Die ärztliche Krankenbescheinigung schon am ersten Tag dem Chef übermitteln zu müssen, mag Arbeitnehmer abschrecken, einfach mal so blau zu machen.

Denn wer setzt sich gern freiwillig für mindestens eine Stunde in ein ärztliches Wartezimmer? Die Realität in deutschen Unternehmen sieht anders aus. Die meisten Arbeitnehmer müssen schon etwas Schwerwiegenderes als eine Erkältung haben, wenn sie entscheiden, lieber im Bett zu bleiben.

Schon aus Kollegialität, weil die Pflicht ruft oder weil man weiß, dass für die Nachtschicht sonst ein anderer Kollege (auch nicht gern) einspringen würde, überlegen sich Beschäftigte drei Mal, ob sie dem Arbeitsplatz wegen Krankheit fern bleiben oder nicht. Zu einer guten Unternehmenskultur gehört ein Vertrauensverhältnis zwischen Vorgesetztem und Arbeitnehmer, das auch das Verhalten im Krankheitsfall einschließt.

Es ist sinnvoll, wie es Arbeitsverträge in der Regel vorschreiben, eine ärztliche Krankenbescheinigung erst am dritten Tag einzufordern, zumal erfahrungsgemäß Ärzte ganz schnell bereit sind, den Patienten gleich für den Rest der Woche krank zu schreiben. Das heißt, ohne Krankschreibung wäre er möglicherweise viel schneller wieder zurück am Arbeitsplatz.

Ein Blick ins Ausland zeigt, dass dies in manchen Ländern viel großzügiger, das heißt arbeitnehmerfreundlicher, gehandhabt wird. Offen ist, ob das die Krankenstände in die Höhe treibt.

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