Kommentar Konjunktur - Vertrauen kehrt zurück

Man traut es sich kaum zu schreiben: Es geht uns gut. Wirklich. Die deutsche Wirtschaft floriert wie lange nicht mehr, und davon profitiert die überwiegende Mehrheit der Bürger. Die Arbeitsplätze sind vergleichsweise sicher.

Der zigfach totgesagte Euro erweist sich als erstaunlich widerstandsfähig und ist sogar im Wert zuletzt deutlich gestiegen. Ein Grund dafür: Das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung kehrt langsam zurück. Wer hätte diese Prognose noch vor zwei Jahren gewagt?

Die Krise ist zwar nicht überwunden, aber Europa steht längst nicht mehr am Rande des Abgrunds. Was vor allem die europäischen Nachbarn beruhigen wird: Deutschlands Stärke rührt nicht mehr allein daher, dass das Land deutlich mehr exportiert als importiert. Es ist vielmehr genau die Entwicklung eingetreten, die nicht zuletzt Brüssel immer wieder eingefordert hat: Die deutschen Unternehmen holen ihre lange aufgeschobenen Investitionen nach - ein Zeichen für wachsendes Vertrauen in die eigene Stärke.

Gleichzeitig geben die deutschen Verbraucher mehr Geld aus. Das stellt nicht nur das heimische Wachstum auf eine breitere Basis, sondern hilft auch der Konjunktur in anderen Ländern. Denn wer mehr konsumiert, kauft auch mehr Waren aus dem Ausland. Grundlage für die stärkere Binnennachfrage sind die zuletzt in vielen Branchen in Deutschland gestiegenen Löhne. Nach Jahren der Zurückhaltung werden zu Recht auch die Arbeitnehmer wieder stärker am Erfolg der deutschen Wirtschaft beteiligt.

Trotz aller Wachstums-Euphorie: Deutschlands wirtschaftlichen Höhenflug begleiten jede Menge Risiken - jedem Aufschwung folgt ein Abschwung. Sorgen bereiten etwa die Schwäche des wichtigsten Handelspartners Frankreich, die Abkühlung der Konjunktur in China und die Krise in der Ukraine. Viele Länder in Europa sind immer noch hoch verschuldet.

Doch jenseits aller Bedenken braucht Deutschland eine Strategie, wie das Land die Erfolgsphase nutzen kann, um langfristig seine wirtschaftliche Position zu sichern. Darüber ist aus der Bundesregierung erschreckend wenig zu hören. Was geschieht mit den sprudelnden Steuereinnahmen, die bei der guten Beschäftigungslage die Staatskasse füllen? Hier ein wenig für die Rentner, da ein wenig für Arbeitnehmer, die früher aufhören wollen. Der große Wurf sieht anders aus.

Dabei wäre jetzt vieles möglich: Ein drastischer Schuldenabbau etwa. Oder ein Bildungs-Offensive als staatliches Investitionsprogramm, um die kommenden Generationen für den weltweiten Wettbewerb zu stärken. Mehr Hilfe für diejenigen, die vom Wirtschaftsboom und den steigenden Börsenkursen nicht profitieren, etwa die Langzeitarbeitslosen. Jetzt ist die richtige Zeit, an später zu denken. Noch sind die Kassen voll.

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