Kommentar Konjunktur kühlt ab - Verlorene Jahre

Der Herbst ist da. Und der Konjunktur in Deutschland stehen deutlich kühlere Zeiten bevor. Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognosen für dieses und für das nächste Jahr eingedampft. Sie setzen damit eigentlich nur das um, was sich bereits seit Monaten abzeichnet.

Die Stimmung bei Unternehmen und Finanzexperten hat sich seit Sommer kräftig eingetrübt, Industrieproduktion und Exporte gehen deutlich zurück. Aus der Traum vom anhaltenden Wirtschaftswunder 2.0.

Die Ursachen für den Einbruch sind relativ schnell benannt. In den Problemländern in Europa beginnen sich die durch die Schuldenkrise geschwächten Volkswirtschaften nur langsam zu erholen. Frankreich, das seine Probleme nicht in den Griff bekommt, wird zu einer riesigen Hypothek. Finanzmärkte und Investoren verlieren mehr und mehr Vertrauen in die Eurozone. Hinzu kommen Unsicherheiten durch die Krisen in Syrien und im Irak und die Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen im Verhältnis zu Russland.

Aber auch ohne diese Ursachen hätte früher oder später ein Wirtschaftsabschwung als normale Entwicklung innerhalb eines Konjunkturzyklus auch Deutschland erreicht. Aufgabe der Politik, speziell der Finanz- und Wirtschaftspolitik, wäre es, das Land in guten Zeiten darauf vorzubereiten und die Weichen so zu stellen, dass sich die Schäden möglichst in Grenzen halten. Doch davon kann in Deutschland leider keine Rede sein.

Im Gegenteil: Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren viel getan, um den Wohlstand zu verteilen, aber nichts, um ihn zu sichern. Chancen hätte es gegeben: Arbeit billiger machen, zum Beispiel durch Beseitigung von Steuerungerechtigkeiten wie der kalten Progression, um nur ein Beispiel zu nennen. Gerade bei einfachen Tätigkeiten wirken sich hohe Lohnnebenkosten mehr und mehr beschäftigungshemmend aus. Was ist passiert? Mit der Einführung eines Mindestlohns wurde das Problem einfach auf die Wirtschaft abgewälzt.

Wo Schwarz-Rot wirtschaftspolitisch aktiv wurde, kam überwiegend teurer ökonomischer Unfug zustande: der Rente mit 63 bis zu den Pkw-Mautplänen. Vom größten planwirtschaftlichen Kapitalvernichtungsprogramm seit Ende der DDR, der übertriebenen Energiewende, ganz zu schweigen. Während jetzt Multimilliarden für neue Stromtrassen benötigt werden, um die selbstverschuldet wackelig gewordene Energieversorgung zu sichern, verkommen Straßen, Brücken und andere nicht nur für die Wirtschaft lebenswichtige öffentliche Infrastruktur. Dort, wo es darauf ankäme zu investieren, um das Investitionsklima zu verbessern, wird gespart, gespart und nochmals gespart.

Falsche Prioritäten, ökonomisch unsinnige Projekte, der Rest ist Tatenlosigkeit, getarnt als "Politik der ruhigen Hand". Sechs Jahre liegt die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit jetzt zurück, sechs Jahre, in denen es ununterbrochen aufwärts ging, in denen Deutschland ein Wirtschafts- und Jobwunder erlebte, in denen die Steuern sprudelten wie nie. Diese sechs Jahre sind für Deutschland wirtschaftspolitisch leider verlorene Jahre.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Sehr viele Stühle: Der Bundestag soll
Nicht ohne Nachteil
Kommentar zur WahlrechtsreformNicht ohne Nachteil
Viel Potenzial bei Ungelernten
Kommentar zur Arbeitslosenquote Viel Potenzial bei Ungelernten
Wieder ein Endspiel?
Kommentar zur krieselnden Ampel-Koalition Wieder ein Endspiel?
Eine andere Welt
Kommentar zu den weltweiten Militärausgaben Eine andere Welt
Aus dem Ressort