Kommentar zur Geisterfahrt der Linie 66 Riskante Regelung

Meinung | Bonn · Nachdem am Sonntag eine Bahn der Linie 66 führerlos durch die Nacht fuhr, sind noch einige Fragen offen. Die Stadtwerke sollten jetzt möglichst transparent agieren, kommentiert GA-Redakteur Andreas Baumann.

Nach der Geisterfahrt der Linie 66 gibt es noch viele offene Fragen.

Nach der Geisterfahrt der Linie 66 gibt es noch viele offene Fragen.

Foto: Grafik GA

Die Menschen in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis sind nur knapp einem katastrophalen Unfall entgangen. Die führerlose Bahn, die in der Nacht zum Sonntag auf der Linie 66 an Haltestellen und offenen Schranken vorbeifuhr, war eine tödliche Bedrohung für Passagiere, Autofahrer, Fußgänger. Nicht auszudenken, wenn es den mutigen Fahrgästen nicht gelungen wäre, den Geisterzug in Beuel zu stoppen, bevor er die belebte Kreuzung St. Augustiner und Königswinterer Straße erreichte. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn dieses Unglück nicht in der Nacht, sondern tagsüber geschehen wäre.

Beunruhigend ist, dass gleich zwei Sicherheitssysteme auf einmal versagten. Die Sicherheitsfahrschaltung – Nummer eins – soll garantieren, dass der Fahrer bei Bewusstsein ist. Warum das nicht funktionierte, obwohl der Fahrer ohnmächtig war, ermitteln nun die Aufsichtsbehörde und die Polizei.

Fatalerweise konnten die Passagiere aber auch keine Notbremsung auslösen. Auf freier Strecke geht das nur, wenn man mit dem Fahrer kommuniziert – was in diesem Fall unmöglich war. Dass die Fahrgastnotbremsung bundesweit für alle Stadtbahnen so geregelt ist, macht den Sachverhalt nicht besser. Diese Regelung sollte der Gesetzgeber überarbeiten. Es mag ja unwahrscheinlich sein, dass die Sicherheitsfahrschaltung ausfällt. Der Geisterzug auf der Linie 66 hat bewiesen: Es passiert trotzdem.

Der alptraumhafte Vorfall hat zweifellos das Vertrauen vieler SWB-Kunden erschüttert. Die Stadtwerke tun gut daran, jetzt so transparent zu sein, wie es die laufenden Ermittlungen zulassen. Zu den drängenden Fragen gehört, wie es sein konnte, dass offenbar nicht sofort alle Schranken entlang der Gefahrenstrecke geschlossen worden sind. Und: Warum genau wäre das Abschalten des Stroms keine schnelle Lösung gewesen, auch wenn sie „große Teile des Netzes“ betroffen hätte, wie aus einem vertraulichen SWB-Papier hervorgeht? Wie schnell es den Fahrgästen gelingen würde, die stabile Tür zur Fahrerkabine einzuschlagen, konnte vorher ja niemand wissen. Nach dem ersten Notruf vergingen immerhin rund zehn Minuten, bis die Polizei den Stillstand der Bahn protokollieren konnte.

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