Kommentar Kleineres Übel

Eine flächendeckende Tarifeinheit in den Betrieben ist zwar ein wünschenswerter Zustand. Es gäbe weniger Arbeitskämpfe, und Lohnzuwächse oder anderweitige tarifliche Verbesserungen kämen allen Beschäftigen zugute und nicht nur den besonders kampfstarken Teilen der Belegschaft.

Lokführer, Piloten oder Ärzte nutzen ihre Streikmacht immer wieder für besonders gute Abschlüsse. Für die anderen Arbeitnehmer bleibt dann zwangsläufig weniger zu verteilen. Das sind auch die wesentlichen Gründe für die Bundesregierung und die Arbeitgeber, den Kleingewerkschaften per Gesetz ihre Stärke zu nehmen.

Doch in der Praxis wird dies kaum möglich sein. Die Tarifautonomie kann nicht per Federstrich eingeschränkt werden, in dem nur die jeweils mitgliederstärkste Gewerkschaft über Löhne und Gehälter verhandeln darf. So sehen es die Pläne der großen Koalition vor.

Abgesehen von der verfassungsrechtlichen Problematik dürfte es auch Umsetzungsprobleme geben, weil die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder geheim ist und auch bleiben sollte. Überdies ist mit Ausweichreaktionen der Arbeitgeber überall dort zu rechnen, wo sich die Belegschaft auseinanderbringen ließe. So wünschenswert das Ziel auch ist, fehlt bislang ein praktikabler Weg dorthin. Hinzu kommt, dass es aus Sicht der machtvollen Berufsgruppen legitim ist, das Beste für sich herauszuholen.

Die Situation bei der Bahn mit zwei mächtig konkurrierenden Gewerkschaften zeigt die Probleme der geltenden Rechtslage. Aber dagegen eine schlechtere Lösung einzusetzen, wäre nicht hilfreich. Es ist besser, mit dem kleineren Übel klarzukommen und alles so zu lassen, wie es jetzt ist.

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