Kommentar Kardinal Marx - Starke Stimme

Die katholische Kirche hat durch die Wahl von Erzbischof Reinhard Kardinal Marx zum neuen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz wieder eine starke Stimme. Dass er sich erst nach dem fünften Wahlgang durchsetzen konnte, macht eines deutlich: Die Bischofskonferenz, vom bisherigen Vorsitzenden Robert Zollitsch mit großer Kraftanstrengung zusammengehalten, muss noch erst wieder zusammenwachsen.

Konservative und liberale Kräfte blockieren sich in zentralen kirchlichen Fragen wie der Wiederzulassung geschiedener Wiederverheirateter zur Kommunion gegenseitig. Auch hat Kardinal Marx mit dem Ruf zu kämpfen, ständig neue Aufgaben wahrzunehmen und sich letztlich damit zu übernehmen. Er hat angekündigt, bald einige Ämter wieder abzugeben.

Marx ist gewählt worden, weil sich unter den Bischöfen offensichtlich die Überzeugung durchgesetzt hat, dass die rund 28 Millionen deutschen Katholiken einen Repräsentanten brauchen, der in der (medialen) Öffentlichkeit überzeugend ihre Interessen vertreten und mit der gleich großen evangelischen Kirche den christlichen Glauben wieder auf die gesellschaftliche Tagesordnung setzen kann.

Marx, der Professor, Buchautor, Erzbischof eines der großen deutschen Bistümer, bestens im Vatikan vernetzt, weckt große Hoffnungen weit über seine eigene Kirche hinaus. Die Politik wird es mit einem selbstbewussten Vorsitzenden der Bischofskonferenz zu tun bekommen. Auch ökumenisch wird sich der neue Episkopatsvorsitzende tatkräftig einbringen und dem Wunsch der Evangelischen Kirche nicht widersprechen, dass beide Kirchen "heute mehr denn je das gemeinsame Zeugnis" brauchen.

Die eigentliche Krise beider Volkskirchen liegt in der zunehmenden Entfremdung der Menschen vom christlichen Glauben. Hier wird sich auch Kardinal Marx bewähren müssen, die Theologie wieder sprachfähig und den Glauben als existenziellen Bestandteil des Lebens deutlich zu machen. Soll heißen: Nicht nur der in Talkshows und auf dem politischen Parkett gewandte Vorsitzende der Bischofskonferenz ist gefragt, sondern auch der Priester. Und das wird sicherlich nicht die leichteste Aufgabe dieser neuen starken Stimme des Katholizismus sein.

Zugleich wird man nicht fehl gehen zu sagen, dass Kardinal Marx noch nicht am Ende seiner Karriere steht. Seine Stellung in Rom als einer der zehn deutschen Kardinäle dürfte durch die Wahl in Münster zusätzlich gefestigt sein. Man darf gespannt sein, wie er sich in Zukunft mit dem Präfekten der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, verstehen wird. Vor allem, wenn es darum geht, die Interessen einer selbstbewussten deutschen Kirche zu vertreten und auf mehr eigene Entscheidungen zu bestehen, die Papst Franziskus ja den nationalen Bischofskonferenzen zugesagt hat.

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