Kampf gegen Doping - Götterdämmerung

Freunden der olympischen Leibesübungen muss das Abendbrot am Mittwoch im Halse stecken geblieben sein, sofern sie das Erste Deutsche Fernsehen eingeschaltet hatten.

Der beste Programmplatz für eine Enthüllungsgeschichte über Doping im Sport spiegelt deren enorme Sprengkraft: Eine Stunde zur besten Sendezeit, vielleicht nicht ganz zufällig direkt im Anschluss an eine Biathlon-Übertragung. Belanglosigkeiten hätten sich versendet, zumal das Thema Doping nicht gerade als der absolute Quotenbringer gilt.

Die ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping: Wie Russland seine Sieger macht" hat den erschütternden Eindruck eines Sports hinterlassen, in dem Zustände herrschen wie zu Zeiten des lange überwunden geglaubten Kalten Krieges. Für Medaillen wird alles getan - es wird gespritzt, es wird geschluckt und geschmiert auf Gedeih und Verderb. Leidtragende sind die gar nicht oder höchstens unzureichend aufgeklärten Sportler. Sie opfern ihre Gesundheit für materiellen Zugewinn, das Vaterland erntet Renommée, auch wenn es - wie man jetzt weiß, aber immer schon ahnte - ein höchst zweifelhaftes ist.

Wenn diese Enthüllung sich im Kern bewahrheitet, wovon nach Lage der Dinge auszugehen ist, dann offenbart sie einen der größten Skandale der Sportgeschichte. Ein Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten staatlich organisierten Dopings steht im Raum. Die Wirksamkeit des Kontrollsystems ist mehr denn je in Frage gestellt, und das Ziel von Chancengleichheit für saubere Athleten wieder in so weite Ferne gerückt wie der Mars von der Erde. Dieses Kontrollsystem ist in jahrelanger Entwicklungsarbeit immer wieder verfeinert worden. Doch mit welchem Effekt?

Was unternehmen die Dopingjäger inzwischen nicht alles, um den Betrügern in diesem ewigen Hase-Igel-Rennen auf die Schliche zu kommen? Tests werden meist unangemeldet und gezielt in den typischen Doping-Hochphasen des Trainings vorgenommen. Zudem muss der Athlet, der längst ein gläserner ist, seinen Aufenthaltsort lückenlos und minutiös dokumentieren - wohlgemerkt im Vorhinein. Ändert er seine Pläne einmal spontan, so gilt sein erster Griff einem Mobilgerät, um die Dopingagenturen umgehend zu informieren.

Urin- und Blutproben konservieren die Dopingfahnder inzwischen für bis zu zehn Jahre, um sie beim Vorliegen weiterentwickelter Analysemethoden ein weiteres Mal überprüfen zu können. Blut- und Steroidprofile werden angelegt, um Manipulationsnachweise auf indirektem Wege zu führen.

All diese Anstrengungen sind jedoch nichts weiter als Makulatur, sobald Korruption ins Spiel kommt. Deshalb wiegt ein anderer Verdacht, den die ARD-Dokumentation von gestern Abend nahelegt, noch weitaus schwerer. Die Bestechung eines Funktionärs des Leichtathletik-Weltverbandes zur Vertuschung einer positiven Dopingkontrolle brächte nicht nur die olympische Kernsportart in Verruf, sondern würde geradezu eine Götterdämmerung heraufbeschwören. In letzter Konsequenz müsste das Internationale Olympische Komitee die Leichtathletik aus dem Olympia-Programm streichen.

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