Kommentar Investor aus Putins Reich

Was wir befürchtet haben, ist eingetreten", sagte Herbert Zimmermann in der Übertragung des 54er WM-Finales, als die ungarische Fußball-Nationalmannschaft gegen die deutsche Elf schon nach acht Minuten mit 2:0 in Führung gegangen war.

Es ist einer der legendären Sprüche aus Zimmermanns Berner Reportage.

"Was wir befürchtet haben, ist eingetreten" - nach der Übernahme der Capricorn-Gesellschafteranteile durch den russischen Pharmaunternehmer Viktor Charitonin an der Nürburgring-Besitzgesellschaft dürfte das die vorherrschende Stimmung unter den zahlreichen Motorsportfans in der Eifel und vielen der Menschen sein, denen die traditionsreiche Rennstrecke am Herzen liegt. Natürlich auch bei jenen, die zum Teil schon viele Jahre von und mit dem Nürburgring leben. "Jetzt bekommen wir doch noch den russischen Oligarchen", sagte einer von ihnen gestern Abend.

Die Furcht dahinter: Dass der finanzkräftige Investor aus Putins Reich in der Eifel einsteigt, die vorhandenen Strukturen plattmacht und den Ring mehr als eigene Spielwiese statt als Rennstrecke betreibt. In den vergangenen Jahren gab es kaum eine Veranstaltung am Ring, in der nicht genau vor einem solchen Szenario gewarnt wurde. Klar, gestern bemühten sich die Nürburgring-Sanierer darum, diese Befürchtung zu zerstreuen, indem sie darauf verwiesen, dass das operative Geschäft von den Ereignissen unberührt bleibe. Doch wird das auf Dauer wirklich so sein?

Wer die Ereignisse am Ring in den vergangenen Jahren verfolgt hat, der hat da seine Zweifel. Die jüngste Vergangenheit ist reich an Lügen, an nicht gehaltenen Versprechen und an Finanzierungszusagen ohne Grundlage. Die Insolvenzverwalter haben zu diesem Vertrauensverlust beigetragen, noch mehr aber die rheinland-pfälzische Landesregierung, von der sich viele Bürger in der Eifel verraten und verkauft fühlen. Zu Recht. Was sich SPD-Politiker wie der damalige Ministerpräsident Kurt Beck und (Ex-)Minister wie Ingolf Deubel, Hendrik Hering, Carsten Kühl oder Roger Lewentz mit dem gescheiterten Projekt Nürburgring 2009 und dem ebenso misslungenen Zukunftskonzept in den Jahren danach geleistet haben, war nicht nur die Verschwendung von einer halben Milliarde Steuergeld. Es könnte sogar dazu führen, dass die strukturschwache Region rund um die Nürburg ihres Zugpferdes beraubt wird. Nämlich dann, wenn der Investor den Ring tatsächlich als privates Spielzeug betreibt.

Natürlich: Es muss nicht dazu, es kann auch anders kommen. Das 54er WM-Finale in Bern hat die deutsche Mannschaft ja auch in den verbliebenen 82 Minuten gedreht. Die Furcht vor einer hohen Niederlage wich seinerzeit dem Triumphgefühl. Den Menschen in der Eifel dürfte es aber schwerfallen, den Vorgängen von gestern Positives abzugewinnen.

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