Kommentar Im Glashaus

Brüssel · Geht gar nicht!"oder "Yes, we can!"? Es sieht nicht so aus, als ob der Graben, der Kanzlerin Merkel und Präsident Obama, Deutsche und Amerikaner in Sachen Geheimdienste trennt, überbrückt werden kann. Längst hat der Frust über die Dickfelligkeit der USA die Bastionen transatlantischer Freundschaft hierzulande nachhaltig erschüttert.

Die Herzensamerikaner in Parteien, Presse und Denkfabriken sind ob der US-Mischung aus Beschwichtigung, Ausflucht und Lüge zutiefst verstört. Die zum Teil offen demonstrierte Arroganz empört sie mehr als jene, die den USA schon immer alles Schlechte zugetraut haben. Verletzte Gefühle sind indes als Quelle von Politik gefährlich. Es wäre jedenfalls falsch, Besserung nur von Washington zu verlangen.

Dreierlei macht die Sache vertrackt. Erstens das US-Trauma des 11. September 2001. Für die Amerikaner sieht seither das richtige Verhältnis von "Heimatschutz" und Datenschutz anders aus als für die meisten Europäer: Das Land, in dem Staatsferne ein Grundinstinkt ist, nimmt für minimale Gewinne bei der Sicherheit in Kauf, dass die Obrigkeit dem Einzelnen bis in den privatesten Alltag auf die Pelle rückt. Zweitens der Glashaus-Faktor. Es sind eben nicht nur die Amerikaner. Es sind auch in Europa nicht nur die Engländer. Die Dienste der Deutschen, Schweden, Polen und wer-weiß-wo-noch greifen ebenfalls ab, was zu haben ist, gern auch Erkenntnis-Krümel, die vom Tisch des Großen Bruders fallen.

Schließlich die Technologie. Nicht alles, was möglich ist, sei auch zulässig, haben die Außenminister Steinmeier und Westerwelle gesagt. Die Philosophie der Geheimdienste geht umgekehrt: Weil sie, jeder auf seiner Seite, einer guten Sache dienen, ist alles recht, was dabei hilft. Und mit den Möglichkeiten der Übermittlung, Erfassung, Speicherung und Auswertung von nahezu unbegrenzten Daten-Mengen ist "alles" nicht mehr Redensart, sondern eine beängstigend reale Option.

Europa ist also Teil des Problems. Es muss auch Teil der Lösung sein. Die EU darf nicht darauf verzichten, die USA mit der Forderung nach besserem Datenschutz zu konfrontieren. Nicht in frommen Reden und saftigen Interviews, sondern da, wo es zählt: bei allen Verträgen, in denen Umgang mit Daten eine Rolle spielt.

Es wird freilich nur gelingen, wenn die Europäer die Reihen schließen. Der Aufbau eigener Kommunikationstechnik reicht nicht. Erforderlich ist eine Verständigung, wie eine "europäische" Güterabwägung zwischen Datenschutz und Sicherheit eigentlich aussehen soll. Vor zwei Jahren hat die EU-Justizkommissarin Reding Vorschläge für ein umfassendes europäisches Datenschutzrecht gemacht. Eine Position des Ministerrats - Organ der Regierungen - liegt bis heute nicht vor. Es braucht mehr, um den USA Respekt abzunötigen.

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