Kommentar HSV: Vom Kopf bis zur Flosse

Bonn · Früher, ja früher war alles besser. Und erheblich einfacher. "Manni Flanke, ich Kopf, Tor!" Heute weht ein anderer Wind an der Elbe, im Reich der Metaphern würde man sagen: ein eisiger. Die Zuneigung der Fans wird seit Jahren auf eine harte Probe gestellt. Die Identifikation mit der Mannschaft fällt schwer.

Früher, ja früher war alles besser. Und erheblich einfacher. "Manni Flanke, ich Kopf, Tor!" Zack, zack, zack - Horst Hrubesch, seines Zeichens Kopfballungeheuer und HSV-Ikone, machte sich nie einen allzu großen Kopf auf dem Platz. Daneben blieb er bodenständig, herzlich, natürlich. Ein Kumpeltyp, der das Angeln mehr liebte als die große Bühne. Und die Fans, nicht nur in Hamburg, liebten den Sturm-Koloss, der in den 1980er Jahren ein Patent hätte anmelden können auf Kopfballtore nach den Bananenflanken von Manni Kaltz - es hätte sich gelohnt.

Heute weht ein anderer Wind an der Elbe, im Reich der Metaphern würde man sagen: ein eisiger. Die Zuneigung der Fans wird seit Jahren auf eine harte Probe gestellt. Die Identifikation mit der Mannschaft fällt schwer. Spieler kommen, Spieler gehen - schneller als Kundschaft im Schlussverkauf. Trainer geben sich die Klinke in die Hand (alleine zwölf in den vergangenen knapp zehn Jahren). Manager wurschteln vor sich hin. Eine Strategie, ein Plan ist nicht erkennbar, weder in der Vorstandsetage um Präsident Jarchow noch auf dem Rasen. Eine Aura der Ahnungslosigkeit umgibt den Club derzeit. Der Fisch stinkt - vom Kopf bis zur Schwanzflosse.

In der Stadt der klugen Kaufleute gibt es ein Problem beim dortigen Fußball-Nobelclub. Es herrscht Chaos wie auf einem orientalischen Basar. Die Macher reißen die Geldschatulle auf, sobald die Herrschaften auf dem Rasen das Erbe Seelers mal wieder mit Füßen treten. 100 Millionen Euro an Verbindlichkeiten hat der Verein so angehäuft. Dank der Millionen von Mäzen Kühne wühlt der HSV aber immer noch kräftig mit auf den Einkaufstischen Europas.

Van der Vaart kam 2012 für eine Ablöse von 13 Millionen Euro zurück, scheint mit seinem Kopf indes woanders zu sein. Talente wie Calhanoglu oder Arslan sind große Versprechen - mehr nicht. Dem HSV fehlt vor allem eines: ein Gesicht. Das konnte ihm auch Trainer van Marwijk nicht geben. Der erste Bundesliga-Abstieg rückt bedrohlich nah. Nicht alle scheinen den Ernst der Lage zu erkennen.

Zu Hrubeschs Zeiten war der HSV eine Weltmarke, der einzige Gegenpol zum FC Bayern. Jetzt ist der Verein in Beliebigkeit versunken. Vorbei die Zeiten von Polonäse Blankenese. Weitere Kopfschmerzen sind allerdings auch ohne garantiert.

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