Kommentar zur Wahl des Fifa-Präsidenten Infantino Hoffnung, mehr nicht

Bonn · Der Schweizer Gianni Infantino ist zum Präsidenten des Fußball-Weltverbandes Fifa gewählt worden. Der bisherige Uefa-Generalsekretär beerbt damit den gesperrten Joseph S. Blatter, der 17 Jahre lang an der Fifa-Spitze gestanden hatte.

Sollte der 26. Februar 2016 eines fernen Tages als Wendepunkt in der an Skandalen reichen Funktionärsgeschichte des Fußballs gesehen werden, dann liegt das ganz sicher nicht an der Wahl von Gianni Infantino zum Fifa-Präsidenten. Der Weltverband blickt auf eine gut vier Jahrzehnte lange Korruptionsära zurück: Seit Joao Havelange 1974 das Zepter übernahm und sein Ziehsohn Sepp Blatter ab 1998 das Erbe fortführte, gleicht das zum Milliardenunternehmen gewachsene Geschäft mit dem populärsten Sport einem Selbstbedienungsladen. Ihr Erbe ist nun einer, der nichts anderes als das System Blatter kennengelernt hat und sich Zeit seiner Funktionärskarriere damit arrangierte. Also keine gute Wahl. Weil er im Netz der Abhängigkeiten festgezurrt ist.

Die Volksweisheit, dass der Fisch vom Kopf stinkt, trifft auf keine internationale Organisation so zu wie auf die Fifa. Auch, weil Regierungen aus aller Welt stets gerne mit den Unterhändlern der Volksdroge Fußball an einem Tisch sitzen, um etwas vom Glanz und der verbindenden Kraft des Spiels abzubekommen. Wer eine WM ausrichten darf, sendet berauschende Bilder in die Welt. Für die westliche Welt und unsere Vorstellungen von Demokratie und Freiheit ist es kein gutes Zeichen, dass zunehmend diktatorisch geprägte Gesellschaften das Podium des Sports nutzen dürfen – wie Russland und Katar mit den kommenden Weltmeisterschaften.

Alle Regierungen, darunter auch die deutsche vor dem Zuschlag für die WM 2006, haben das von gegenseitigen Gefälligkeiten geprägte Spiel hinter den Kulissen mitgemacht. Sie sind mitverantwortlich für das bestehende Parallel-Universum, das sich außerhalb völkerrechtlicher Usancen bewegt. Auch Deutschland setzte beispielsweise für die Fifa seine Steuergesetze außer Kraft.

Jetzt also Infantino, wieder ein Schweizer. Die Unterschiede zum in der Stichwahl gescheiterten Scheich aus Bahrain sind marginal, viel größer sind die Gemeinsamkeiten, weil beide wie die drei weiteren gescheiterten Kandidaten Zeit ihres Funktionärslebens den Mief der Kumpanei inhaliert haben. Den neuen Präsidenten von außerhalb mit blütenreiner Weste konnte es nicht geben, ein solcher kandidierte nicht.

Aber macht das den Wandel zu einer sauberen Fußball-Weltregierung unmöglich? Entscheidend ist, was sich auf dem sportpolitischen Parkett bewegt. Dafür hat die Fifa gestern objektiv einen Schritt nach vorne gemacht. Der neue Boss ist bloß ein Etikett. Wirklich wichtig sind die Inhalte des Reformpakets. Es schwächt die Machtposition des Präsidenten und erschwert Mauscheleien bei WM-Vergaben, weil nicht mehr der Elitezirkel „Exekutivkomitee“ entscheidet, sondern künftig alle 209 Mitgliedsverbände.

Die Fifa wird Jahre benötigen, um Vertrauen zu gewinnen. Bislang sind es nur Signale, wie die Frauenquote, die sich die Männergesellschaft neu verordnet hat. Die große Frage aber ist: Wer führt die Aufsicht – dem neuen Präsidenten fehlt dafür die Distanz. Dennoch: Dass die Reformen beim Kongress in Zürich im Rekordtempo und von einer 89-Prozent-Mehrheit angenommen worden sind, nährt die Hoffnung, dass der 26. Februar 2016 tatsächlich einen Wendepunkt markiert.

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